Der Beschluss des FDP-Präsidiums zur Stärkung des Autoverkehrs in deutschen Städten stößt in der Union auf Kritik. „Die FDP und die Grünen verschanzen sich beim Thema Auto einmal mehr in ihren jeweiligen ideologischen Gräben“, sagte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) der „Welt“.
Am Montag hatte das FDP-Präsidium einen Beschluss gefasst, wonach die erst jüngst von der Ampel-Koalition bei der Reform des Straßenverkehrsgesetzes geschaffenen Möglichkeiten für Kommunen zur Umwidmung von Straßen in Radwege oder Fußgängerbereiche durch neue Anforderungen faktisch wieder zurückgenommen würden. Zudem will die FDP das kostenlose Kurzzeit-Parken in Städten ausbauen oder ersatzweise mit einer bundesweiten Park-Flatrate nach dem Muster des Deutschlandtickets für eine Verbilligung sorgen.
Lange weist den Plan zurück: „Genauso plump, wie die Grünen den Autoverkehr bekämpfen, ist der FDP-Plan für mehr Autos in den Innenstädten. Beides funktioniert so nicht.“ Deutschland benötige einen Weg, „bei dem alle Verkehrsträger eine gleichwertige Rolle spielen und sich die Nutzer frei entscheiden können, wie sie sich fortbewegen wollen“.
„Wer auf dem Land oder in der Stadt mit dem Auto fahren will, soll das tun können. Genauso muss es aber auch möglich sein, den ÖPNV, den Zug oder das Rad nehmen zu können“, sagte Lange. „Wir brauchen keine ideologiegetriebenen, sondern technologieoffenen Ansätze. Die Ampel und insbesondere Verkehrsminister Wissing sind gut beraten, das zu berücksichtigen und in diesem Sinne ein vernünftiges Konzept auf die Beine zu stellen.“
Kritisiert wurde der Plan der FDP auch von der SPD-Verkehrspolitikerin Isabel Cademartori, die die FDP an die Reform des Straßenverkehrsgesetzes erinnerte: Dieses habe die Ampel novelliert, „um den Kommunen mehr Freiheit in ihren individuellen Verkehrsplanungen zu geben“. Freiheit und Subsidiarität, das seien „mal die Kennwerte der FDP“ gewesen, sagte Cademartori der „Welt“.
Zudem forderte Cademartori die FDP mit ihrem Vorsitzenden, Bundesfinanzminister Christian Lindner, dazu auf, neue Finanzierungskonzepte für den Verkehrswegebau jenseits der Schuldenbremse zu entwickeln: „Wenn die FDP den Autofahrern etwas Gutes tun möchte, sollte sie mit uns gemeinsam Mittel für einen Infrastrukturfonds organisieren. Nur so wird es uns endlich gelingen, kraftvoll in den Erhalt unserer Straßen und Brücken zu investieren“, sagte Cademartori. Die „desolaten Zustände unserer Straßen“ würden die Menschen genauso ärgern „wie das marode Schienennetz, das die ohnehin schon zu vollen Straßen zukünftig mit noch mehr verlagertem Güterverkehr belasten wird“.
Kritik an den Plänen der FDP kam aber nicht nur aus anderen Parteien, sondern auch aus den eigenen Reihen. So distanzierte sich Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) vom Auto-Plan seiner Partei und sprach sich gegen kostenloses Parken in Innenstädten aus.
„Mein Ziel ist es, dass Autofahrer, die nach Jena kommen, möglichst alle in die Parkhäuser und Tiefgaragen fahren“, sagte Nitzsche dem „Spiegel“. Pkw dürften nicht aus der Stadt ausgesperrt werden. „Wir haben über 20.000 Pendler, die täglich nach Jena kommen. Aber die Autos sollen in der Innenstadt möglichst nicht sichtbar sein, sondern schnell verschwinden. Lebenswert wird eine Innenstadt, wenn Autos nicht im Weg sind“, so Nitzsche.
Das Parken in Tiefgaragen und Parkhäusern solle in Jena im Vergleich günstiger werden, aber nicht kostenfrei, das Parken entlang der Straßen teurer, so der FDP-Kommunalpolitiker. „Gleichzeitig wollen wir den öffentlichen Personennahverkehr ausbauen und Radfahrer und Fußgänger massiv stärken.“
Nitzsche sagte zu dem Beschluss des FDP-Präsidiums: „Ich möchte als Oberbürgermeister von Jena bewusst überparteilich agieren. Und ich kann nur von meinen Erfahrungen hier berichten. Ein Beispiel: Die Wagnergasse, Jenas Kneipenmeile, ist der place to be für alle Studenten. Vor 25 Jahren sind da noch Autos gefahren, später durften nur noch Busse durch. Aber erst seitdem die Straße eine vollständig verkehrsberuhigte Fußgängerzone ist, ist sie richtig aufgeblüht.“
Dieser Effekt sei ähnlich vielerorts zu sehen. „Wo Fußgängerzonen eingerichtet werden, wird die Innenstadt attraktiv. Das heißt nicht, dass wir den Weg für Autos abschneiden wollen. Die Innenstadt muss erreichbar sein, aber sie selbst soll nicht von Autos geprägt sein“, sagte Nitzsche dem „Spiegel“.