„Wir werden in der nächsten Sitzungswoche einen Leitantrag in den Deutschen Bundestag einbringen, in dem wir die Bundesregierung zur zeitnahen Vorlage einer Nationalen Sicherheitsstrategie und zur Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats auffordern“, sagte der Unionsfraktionschef und CDU-Vorsitzende Friedrich Merz der „Welt am Sonntag“. In dem Antrag, der am kommenden Freitag im Parlament debattiert werden soll, fordert die Union die Bundesregierung auf, ein solches Konzept „zeitnah zu beschließen“.
Darin seien Deutschlands „Werte als Grundlage für die Politik zu definieren sowie das Verhältnis zu China, zu Russland und zu anderen Akteuren zu beschreiben, welche die internationale regelbasierte Ordnung infrage stellen“, wie es in dem Papier heißt. Im Kanzleramt müsse ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet werden, der die operative Steuerung der Außen- und Sicherheitspolitik übernimmt und die Aktualisierung und Umsetzung der Strategie koordiniert. Darüber hinaus solle das Nato-Ziel, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben, festgeschrieben werden. „Bisher hat sich die Bundesregierung geweigert, ihre Ideen zur Nationalen Sicherheitsstrategie im Bundestag überhaupt zu diskutieren“, kritisiert Merz. „Mit unserem Antrag beenden wir dieses Schweigen.“ Ursprünglich wollte die Ampel die Strategie in ihrem ersten Regierungsjahr präsentieren, das im Dezember zu Ende gegangen ist. Umstritten ist vor allem, wo der Sicherheitsrat angesiedelt werden soll. Das SPD-geführte Kanzleramt und das von der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock geleitete Auswärtige Amt beanspruchten das übergreifende Gremium lange für sich.
Auf den umstrittenen Nationalen Sicherheitsrat wollen SPD und Grüne indes nun sogar verzichten. „Es gibt bereits ein Gremium, das sicherheitsrelevante Fragen koordiniert. Das ist der Bundessicherheitsrat. Warum man Strukturen doppeln sollte, erschließt sich mir nicht“, sagte Gabriela Heinrich, Vizefraktionschefin der SPD, auf Anfrage.
„Zudem stellt sich die verfassungsrechtliche Frage, wie ein Nationaler Sicherheitsrat mit der Ressortkompetenz der einzelnen Ministerien in Balance gebracht werden könnte. Beides spricht gegen ein solches Gremium.“ Die FDP besteht indes auf dessen Gründung. Ihr Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff sagte: „Bei der FDP steht der Nationale Sicherheitsrat im Wahlprogramm, denn uns war schon vor dem Krieg klar, dass die internationalen Herausforderungen zu- und nicht abnehmen würden.“
Er verweist unter anderem auf die USA. Deutschland brauche eine Organisation und Abläufe nach dem Vorbild anderer Demokratien, damit auch in Krisensituationen schnelle Handlungsfähigkeit sichergestellt sei. „Viel zu häufig werden außenpolitische Entscheidungen durch bürokratische Prozesse und, schlimmer noch, Eifersüchteleien der beteiligten Ministerien verschleppt“, so Lambsdorff. Unterstützung bekommen Union und FDP von dem Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen.
„Die Nationale Sicherheitsstrategie ist ein wichtiges Element, um deutsche Außen- und Sicherheitspolitik strategischer und vernetzter zu denken, Prioritäten zu setzen und außenpolitische Ziele und Interessen Deutschlands klarer nach innen und außen zu kommunizieren. Es ist jedoch bedauerlich, dass nach langjähriger Diskussion erneut die Chance verpasst wurde, einen Nationalen Sicherheitsrat einzurichten“, sagte Heusgen. Der frühere sicherheitspolitische Berater von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauert, der außenpolitische Entscheidungsapparat Deutschlands habe sich seit den 60ern kaum weiterentwickelt, „während die Bedrohungslagen um uns herum immer komplexer und die Reaktionszeiten kürzer geworden sind“.