„Wenn man von der reinen Verhältniswahl ausgeht, dann ist der Ampel-Vorschlag kein Problem“, sagte der Rechtsprofessor der „Rheinischen Post“ (Samstag). „Es ist sogar demokratieförderlich, weil das Kräfteverhältnis der Parteien nun viel präziser abgebildet wird.“
Man könne dem Reformvorschlag also nicht vorwerfen, undemokratisch zu sein, so Michl. „Denn die Wahl in den Wahlkreisen wird von vornherein in ihrer Bedeutung relativiert.“ Der Ampel-Vorschlag sieht vor, die Sitze im Bundestag nur noch entsprechend der Zweitstimmenanteile bei den Wahlen zu verteilen. Überhang- und Ausgleichsmandate würden entfallen. Womöglich kommen aber nicht mehr alle Direktmandate zum Zug. Dass manche Sieger in den Wahlkreisen ihr Direktmandat nicht mehr automatisch erhalten, sieht der Jurist nicht als Problem. „Der Vorschlag sagt ganz offen: Wir machen eine echte Verhältniswahl. Ich finde das sehr ehrlich. Eine personalisierte Verhältniswahl soll es nicht mehr geben“, sagte Michl, der an der Universität Leipzig Staats- und Verwaltungsrecht lehrt.
„Die Wähler stimmen zwar weiterhin für Wahlkreiskandidaten, können aber nur bedingt darüber entscheiden, ob diese auch in den Bundestag einziehen. Die Grundvoraussetzung ist, dass das Mandat von der Stärke der jeweiligen Partei gedeckt ist“, sagte der Verfassungsrechtler. „Das Grundübel des bisherigen Wahlsystems würde dadurch sehr schneidig beseitigt: Es gäbe keine Überhangmandate mehr.“
Damit sei auch die Größe des durch das bestehende Recht aufgeblähten Bundestags automatisch begrenzt. Er hat nach eigenen Worten auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, sollte die Union eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht anstrengen. „Die Wahlrechtsreform könnte eine lange Lebensdauer haben, jedenfalls wenn sie der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht standhält, mit der wir rechnen können“, so Michl. „Durchgreifende verfassungsrechtliche Einwände sehe ich jedenfalls nicht.“