Der Verfassungsrechtler Stefan Korioth von der Universität München hält den Haushaltskompromiss der Ampelkoalition für öffentlich nicht mehr vermittelbar sowie für rechtlich riskant. Niemand könne den Beschluss ohne Weiteres nachvollziehen, sagte er dem „Tagesspiegel“.
„Ein Beschluss mit solchen Verästelungen und Winkelzügen kann in der demokratischen Öffentlichkeit nicht mehr vernünftig diskutiert werden. Der Haushalt ist immer das Programmbuch einer Regierung, aber hier ist nicht mehr erkennbar, wohin es eigentlich gehen soll.“
Korioth kritisiert mehrere Punkte und hält für denkbar, dass die Koalition sich weiteren rechtlichen Debatten wird stellen müssen. So könnte das vorgesehene zusätzliche Darlehen an die Deutsche Bahn seiner Meinung nach noch Probleme aufwerfen. „Die Bahn hat bekanntermaßen wirtschaftliche Schwierigkeiten, ist immer wieder defizitär, weshalb eine Rückzahlung des Darlehens nicht unbedingt einkalkuliert werden kann. Und bei einer im Kompromiss vereinbarten Laufzeit des Kredits von 34 Jahren stellt sich schon die Frage, ob die Rückzahlungsfähigkeit hier nicht doch auch in der Koalition bezweifelt wird“, sagte er.
Auch kritisiert Korioth, dass auf der Einnahmenseite praktisch keine Risikovorsorge getroffen worden sei, etwa für den Fall, dass die Steuereinnahmen angesichts der schwachen Konjunktur schlechter ausfallen als bisher geschätzt. Die hohe Globale Minderausgabe hält Korioth unterdessen für „das größte Problem bei diesem Kompromiss“. Dieses Instrument sei zwar üblich, aber nicht in der nun veranschlagten Höhe.
„Von daher müsste die Koalition nun schon darlegen, auf Basis welcher Erfahrungswerte in der Vergangenheit sie meint, dass eine solche Summe tatsächlich nicht verausgabt wird. Meines Erachtens hat man diese Erfahrungswerte nicht. Und daher stellt sich die Frage, ob hier nicht einfach eine Unterdeckung verschleiert werden soll.“ Lindner wolle mit der Globalen Minderausgabe Sparzwang auf das Kabinett ausüben. „Es soll das, was er in den Verhandlungen nicht erreicht hat, bei letzter Gelegenheit vor der Einbringung in den Bundestag praktisch nachholen, weil Einnahmeverbesserungen nicht gewünscht sind.“