„Das straffreie Kiffen wird vorangetrieben, dafür wird beispielsweise die Reform der Pflegefinanzierung auf nächstes Jahr vertagt“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge (CDU), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). Eine solche Schwerpunktsetzung sei für die Gesundheitspolitik fatal.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) solle sich auf die „wirklich wichtigen Themen im Gesundheitswesen fokussieren“. Am Mittwoch hatte er gemeinsam mit Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) überarbeitete Pläne für das Legalisierungsvorhaben vorgestellt. Diese sind weniger weitreichend als die ursprünglichen Ampel-Pläne. „Die neuen Eckpunkte des Gesundheitsministers sind nichts anderes als das Eingeständnis, dass seine alten Eckpunkte aus dem Herbst schlicht nicht umsetzbar waren“, so Sorge. Trotz „europarechtlicher Hürden, eindeutiger Gutachten und der schlechten Erfahrungen aus anderen Ländern“ wolle die Koalition eine Droge legalisieren, „vor der Psychologen und Jugendmediziner seit Jahren warnen“, sagte der CDU-Politiker. Die Linkspartei begrüßte unterdessen zwar prinzipiell die Entkriminalisierung und den kontrollierten Eigenanbau als „längst überfällige Schritte in die richtige Richtung“, doch die Bundesregierung mache dabei trotzdem keine „gute Figur“. „15 Monate wurde angekündigt, versprochen, verschoben. Nun bleibt vom Koalitionsversprechen nicht viel übrig“, sagte der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Ates Gürpinar, am Mittwoch.
„Modellprojekte statt deutschlandweiter Legalisierung, keine fundierten Konzepte zur Prävention, vorerst weiter keine vernünftigen Grenzwerte für den Straßenverkehr, während Europa gebannt auf den großen Wurf wartet, überlässt Lauterbach genauere Regelungen zu Cannabis Social Clubs und Modellprojekten den Ländern“, so Gürpinar weiter. Das ergebe absehbar einen „Flickenteppich“ unterschiedlicher Regelungen. Er erwarte „Einkaufstourismus“ aus Bayern und anderen konservativ geführten Ländern, so der Linken-Politiker. Kritik kommt auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Man erkenne in den Eckpunkten „deutlich mehr Klientelpolitik“ als einen „signifikanten Fortschritt mit Blick auf eine verbesserte Drogenprävention“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Alexander Poitz den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (Donnerstagsausgaben). Die „zusammengestutzte Cannabislegalisierung“ wirke wie ein „politisches Manöver“, um die „langsam ungeduldiger werdende Gruppe der Konsumenten ruhigzustellen“. Auf den illegalen Cannabis-Handel auf dem Schwarzmarkt werde der Entwurf keinen bedeutenden Einfluss entfalten, so Poitz weiter. Das gelte ebenso für den „riskanten Cannabiskonsum von Minderjährigen“.
Auch für die Polizei ergebe sich durch die Pläne keine nennenswerte Arbeitsentlastung. Insbesondere die Schaffung von Cannabis-Konsumclubs eröffne neuen Möglichkeiten, „unter dem Deckmantel vermeintlicher Vereinsarbeit“ die vorgeschriebene Abgabe von Cannabis zu unterlaufen, kritisiert die GdP. Es liege auf der Hand, dass mehrere Behörden mit der Kontrolle des Vereinslebens beschäftigt sein werden: „Es sollten keine Gesetze das Licht der Welt erblicken, bevor nicht völlig klar ist, dass diese auch konsequent kontrolliert werden können, davon sind wir hierzulande, vor allem im Bereich des öffentlichen Dienstes, darunter die Polizeien, weit entfernt“, so Poitz. Auch der Besitz von maximal drei Pflanzen oder 25 Gramm Cannabis pro Person sei in der Praxis „prinzipiell nicht kontrollierbar“. Eine polizeirechtliche Grundlage für das Zählen von Cannabis-Blumentöpfen in Privatwohnungen werde es sicherlich nicht geben.
Die Polizeigewerkschaft zeigte sich außerdem besorgt, dass auch künftig Cannabis mit einem sehr hohen THC-Gehalt verfügbar sei. Die GdP sieht zudem mögliche Probleme bei der geplanten befristeten Einrichtung von lizenzierten Cannabis-Abgabestellen in Modellregionen. „Die lizenzierten Geschäfte, wo legal Cannabis verkauft werden soll, könnten sich zu wahren Wallfahrtsorten von Konsumenten entwickeln“, so der Gewerkschafter. Dass sich dort Schwarzmärkte etablieren könnten, sei „keineswegs unwahrscheinlich“.