Völkerrechtler kritisiert deutsche Argumentation zur Lage in Gaza

Der Bonner Völkerrechtler Stefan Talmon sieht einen Widerspruch zwischen den Äußerungen der Bundesregierung zum Völkermordverfahren gegen Israel und früheren deutschen Überzeugungen.

Der Bonner Völkerrechtler Stefan Talmon sieht einen Widerspruch zwischen den Äußerungen der Bundesregierung zum Völkermordverfahren gegen Israel und früheren deutschen Überzeugungen. Deutschland habe im Völkermordprozess gegen Myanmar beim Internationalen Gerichtshof in einer Interventionserklärung noch 2023 dafür geworben, den hohen Beweisstandard für die Völkermordabsicht abzusenken, sagte der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Universität Bonn der „Rheinischen Post“ (Freitagausgabe).

„Deutschland hat dabei argumentiert, dass in der Praxis andernfalls eine Völkermordabsicht kaum je nachgewiesen werden könne“, sagte Talmon. „Deshalb sprach sich die Bundesregierung für eine Gesamtschau aus, wobei unter anderem auf die Opferzahlen abgestellt werden solle und darauf, inwieweit Kinder betroffen sind. Dabei sollte es vor allem auf die Feststellungen der Vereinten Nationen ankommen“, erklärte er.

„Wenn man diese Kriterien auf Gaza anwenden würde, dann wäre das Vorliegen einer Völkermordabsicht keineswegs in der Absolutheit auszuschließen, wie dies die Bundesregierung derzeit tut“, so der Völkerrechtler. „Insofern müsste die Bundesregierung jetzt wieder für strengere Anforderungen bei der Völkermordabsicht argumentieren.“




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