Der Bonner Völkerrechtsexperte Matthias Herdegen hält das Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen für verhältnismäßig und völkerrechtlich gedeckt. „Israel eine gezielte Massenvertreibung oder gar ethnische Säuberung vorzuwerfen, halte ich für völlig aus der Luft gegriffen“, sagte der Direktor am Institut für Völkerrecht der Universität Bonn der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstagausgabe). Schließlich versuche die Armee, durch rechtzeitige Warnungen die mit ihrem Vorgehen verbundenen „unerwünschten Kollateralschäden für die Zivilbevölkerung zu reduzieren“.
Grundsätzlich dürfe es „keine Angriffe auf Krankenhäuser, Kirchen, Moscheen oder Schulen geben“, so Herdegen. „Wenn darunter jedoch bewusst Kommandozentralen oder Waffenlager angelegt sind, sind das natürlich legitime Ziele.“ Mit Blick auf den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sagte Herdegen, man habe es „mit einem besonders barbarischen Angriff zu tun, der das Recht auf Selbstverteidigung des angegriffenen Staates auslöst, ganz gleich, ob es von einem anderen Staat ausgeht oder, wie im vorliegenden Fall, von einem nicht staatlichen Regime“. Und solange die „auslösende Bedrohung und deren Aggressionspotenzial weiter bestehen“, ändere sich an diesem Sachverhalt nichts. „Wenn die unmittelbare physische Bedrohung verschwunden ist, dann muss es darum gehen, die anderen Baustellen zu bearbeiten“, sagte Herdegen mit Blick auf einen möglichen Friedensprozess. Dabei müsse es beispielsweise auch um die israelischen Siedlungen im Westjordanland gehen, die als völkerrechtswidrig gelten. Eine Zwei-Staaten-Lösung liege durchaus noch im Bereich des Möglichen. „Israel gewinnt ja nichts mit der Perpetuierung des Konflikts mit all seinen Folgen“, bekräftigte der Jurist.
Deshalb sei eine Zwei-Staaten-Lösung seiner Ansicht nach auch im Sinne einer großen Mehrheit der Menschen in Israel. „Das Völkerrecht kann keine historische Gerechtigkeit herstellen“, so Herdegen. „Es kann nicht einmal für eine Erträglichkeit des Krieges sorgen.“