„Unser Staat könnte effizienter, bürgernäher und präziser arbeiten, wären wir in der Digitalisierung weiter“, sagte er dem „Spiegel“. Es irritiere ihn, „wie viele in diesem Land nach Gründen suchen, warum man dieses und jenes lieber weiterhin analog machen sollte – und dass wir nicht viel stärker die Riesenchancen sehen, die eine digitale Gesellschaft mit sich bringt“, so Wissing.
Als konkretes Beispiel aus dem ersten Jahr seiner Amtszeit nannte er das 9-Euro-Ticket. „Ich wollte ein rein digitales Ticket, aber man hat mich händeringend gebeten, auch Papiertickets anzubieten.“ Von den 52 Millionen verkauften Tickets seien dann tatsächlich 26 Millionen analog über den Tisch gegangen. In Deutschland seien die Bürger von einer Selbstverständlichkeit, digitale Medien zu nutzen, weit entfernt: „Darüber bin ich erschrocken“, so der für Digitales zuständige Bundesminister. Als Gegenbeispiel nannte Wissing die Ukraine, wo es einen digitalen Ausweis für alle gebe. „Ringsum fallen Bomben, aber dank der digitalen Verwaltung funktionieren Staat und Behörden weiter“, sagte der FDP-Politiker. „Nicht nur im Krisenfall führt die Digitalisierung zu mehr Resilienz, sie kann die Verwaltung insgesamt bürgerfreundlicher und effizienter machen.“ Auch wirtschaftlich werde der Rückstand den Deutschen ansonsten zunehmend zu schaffen machen, die sich „alle anderen ringsum“ immer stärker digitalisierten. Kritik an der eigenen Digitalpolitik wies Wissing zurück. SPD-Parteichefin Saskia Esken hatte sich jüngst enttäuscht über die bisherige Digitalbilanz der Ampelkoalition gezeigt. „Ich habe die Äußerung von Saskia Esken eher so verstanden, dass sie mit der Umsetzung der Digitalprojekte in den SPD-geführten Ministerien nicht zufrieden ist“, sagte Wissing dazu – und verwies auf die 135 Zielvorgaben in seiner Digitalstrategie, an denen sich die Koalition 2025 messen lassen wolle.