„Aus dem britischen Urteil können wir einiges für die deutsche Debatte lernen“, sagte Wüst am Donnerstag der FAZ. Das Urteil zeige, wie wichtig es sei, Partnerländer sorgfältig auszuwählen. Denn das Gericht habe vor allem gesagt, dass Ruanda derzeit kein sicherer Drittstaat sei, nicht jedoch, dass Asylverfahren in Drittstaaten allgemein unzulässig wären.
„Im Gegenteil: Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb Europas sind möglich, wenn sie der Genfer Flüchtlingskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entsprechen“, sagte Wüst weiter. „Das ist von grundsätzlicher Bedeutung und legt die Basis für einen Politikwechsel in der Migrationspolitik. Dieser ist dringend notwendig. Wir sollten auf die Menschen vor Ort hören.“ Die Kommunen seien am Limit. Der britische Ruanda-Deal sah vor, gegen die Zahlung von Entwicklungshilfegeld Asylsuchende nach Ruanda zu bringen, damit sie dort ein Verfahren bekommen. Selbst im Falle eines positiven Bescheids wären sie aber in Ruanda geblieben. Der britische Gerichtshof argumentierte in seinem Urteil am Mittwoch, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Asylsuchende von Ruanda in ihre Herkunftsländer abgeschoben würden, wo ihnen dann Verfolgung drohen könnte. Wüst sagte der FAZ nun, es gehe darum, sich in der Diskussion in Deutschland bewusst zu machen, dass man die Migrationsfrage nicht erst auf europäischem oder deutschem Boden lösen könne. Es brauche daher eine Vielzahl an Maßnahmen, die früher ansetzen. Neben der Drittstaaten-Lösung gehörten auch Asylverfahren an der EU-Außengrenze sowie eine Wiederbelebung „des bereits schon einmal effektiven“ EU-Türkei-Abkommens auf die politische Agenda. „Es können nicht alle Menschen zu uns kommen, die möglicherweise alle guten Gründe haben, ihre Heimat zu verlassen, aber keinen Anspruch auf Schutz in Europa.“
Irreguläre Migration müsse beendet werden, um denjenigen Menschen gerecht werden zu können, die vor Krieg und Vertreibung fliehen und wirklich Schutz brauchen. Auch dürfe man das Sterben im Mittelmeer nicht akzeptieren. „Die Bundesregierung muss daher jetzt alle Optionen prüfen und mit Transit- und Herkunftsländern in Gespräche eintreten. Wichtig dabei ist, dass nicht nur die Verfahren rechtsstaatlich sind, sondern auch die Unterbringungen den Standards des UNHCR entsprechen“, sagte Wüst.
Wichtig sei auch vor dem Hintergrund des britischen Urteils, „dass Partnerländer nicht nur Zusagen geben, sondern diese Zusagen auch tatsächlich und verlässlich eingehalten werden können“. Wüst verwies darauf, dass sich der Oberste Gerichtshof Großbritanniens bei seiner Einschätzung der Lage in Ruanda maßgeblich auf Aussagen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR gestützt hat. Auch die Bundesregierung müsse die Kompetenz des UNHCR nutzen, um die Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten zu ermöglichen. „Der UNHCR hat bereits gesagt, dass es Asylverfahren in sicheren Drittstaaten unter bestimmten Bedingungen für möglich hält“, sagte Wüst.
„Die Bundesregierung muss jetzt die notwendigen Konsequenzen ziehen, alle Optionen prüfen und dann Verhandlungen mit verlässlichen Partnerländern aufnehmen.“