Der Bielefelder Sozialpsychologe Andreas Zick warnt vor einer zunehmenden Radikalisierung von Jugendlichen infolge des Gaza-Kriegs. „Im Moment ist die Gefahr einer Radikalisierung bei Jugendlichen sehr groß“, sagte Zick der „Rheinischen Post“ (Freitagsausgabe).
„Seit dem 7. Oktober beobachten wir, dass sich in sozialen Medien propalästinensische und islamistische Inhalte vermischen. Auch Terrororganisationen rühren sich: Sie verfügen über die Netzwerke und das Kapital, um online Jugendliche zu rekrutieren.“ Junge Menschen würden von Hamas und anderen Organisationen mit Emotionen angesprochen. „Im Internet sehen sie Opferbilder von palästinensischen Kindern und Babys, dazu Propaganda mit dem Tenor: Das sind eure Brüder und Schwestern, denen das angetan wurde.“
Zick verwies zugleich darauf, dass viele heute schon im Kindesalter Zugang zu sozialen Medien hätten. „Deshalb fängt eine Rekrutierung islamistischer Terrorgruppen sehr viel früher an, als wir glauben. Es gibt unglaubliche Identitätskampagnen im Netz, die sehr emotionsgetrieben sind.“
„Solche Propaganda verfängt vor allem bei jungen Menschen, wenn niemand im Umfeld darüber redet. Das Schweigen der Eltern und Geschwister macht es schlimmer. Es ist der zentrale Faktor für eine Radikalisierung.“ Auch in den Schulen sei es schwierig, darüber zu reden. Wasser auf die Mühlen des Opferbildes seien Lehrer, die kein differenziertes Bild vom Islam und Muslimen, sondern Klischees im Kopf hätten. „Junge Menschen reagieren sehr sensibel auf Stereotype – es ist ein Nährboden für neuen Extremismus, der sich gerade bildet.“