Chemiegewerkschaft droht vor neuer Tarifrunde mit Streiks

Die Chemiegewerkschaft IG BCE liebäugelt ungewöhnlich offen mit Streiks in der Chemie- und Pharmabranche.

Die Chemiegewerkschaft IG BCE liebäugelt ungewöhnlich offen mit Streiks in der Chemie- und Pharmabranche. „Die Arbeitgeber sollten eigentlich wissen: Arbeitskämpfe zählen zu unserem Werkzeugkasten“, sagte der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Oliver Heinrich, der „Süddeutschen Zeitung“.

Kurz vor dem Start der Tarifrunde für 585.000 Beschäftigte setzt er den Arbeitgebern eine Frist: „Wenn wir bis Ende Juni nicht in die Nähe eines Abschlusses kommen, dann können wir unsere Forderungen auch anders deutlich machen.“ Die Friedenspflicht in der Branche endet am 30. Juni. Zu diesem Datum läuft auch ein Abkommen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern aus, das die IG BCE zu einer Schlichtung verpflichtet, bevor sie zu Streiks aufruft.

Damit werden Arbeitskämpfe in der Chemie, Deutschlands drittgrößtem Industriezweig, im Sommer deutlich wahrscheinlicher. Den letzten großen Streik in der Chemie hatte es 1971 gegeben, vor mehr als 50 Jahren. Dass sich die Anzeichen für eine Konfrontation nun mehren, liegt daran, dass die Branche seit Längerem in der Krise steckt; wesentliche Ursache waren zunächst die hohen Energiepreise, nun ist es die schwache Konjunktur.

Die Produktion sei um zwölf Prozent eingebrochen, argumentieren die Arbeitgeber, es brauche nun einen „Tarifabschluss für die Krise“, sonst drohe der Verlust von Arbeitsplätzen. Die IG BCE widerspricht dem: Unter den Firmen seien viele „Krisengewinner“, so Heinrich gegenüber der SZ. „Wer eine Nullrunde fordert, so wie die Arbeitgeber das de facto tun, der treibt die Beschäftigten ohne Not auf die Bäume.“

Die IG BCE fordert in der anstehenden Tarifrunde sieben Prozent mehr Lohn – und macht zur Bedingung, dass ein Abschluss nicht nennenswert darunter liegen dürfe. „Das Doppelte fordern und sich dann auf die Mitte einigen, ist nicht unser Stil. Wir brauchen eine Lösung, die den Reallohnverlust ausgleicht“, sagte Verhandlungsführer Heinrich.

Nach SZ-Informationen soll die unterschiedliche wirtschaftliche Situation der Betriebe in den Tarifverhandlungen zur Sprache kommen. Die IG BCE will dann ins Spiel bringen, die Regeln auszuweiten, nach denen Firmen vom Tarifvertrag abweichen können – indem sie etwa Lohnerhöhungen aufschieben, wenn sie Verluste machen. Nach dem Willen der Gewerkschaft soll es auch eine Regel für Betriebe geben, die besonders hohe Gewinne machen: Sie sollen ihre Beschäftigten mehr zahlen als andere Firmen.




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