„Die inflationären Risiken sind weiter groß. Die Kosten für Energie können leicht weiter steigen, und auch die Öffnung Chinas kann den Preisen vorübergehend einen Schub geben“, sagte er der „Welt am Sonntag“.
Auch der hohe Schuldenstand einiger Euro-Länder dürfe die Europäische Zentralbank (EZB) nicht davon abhalten, konsequent zu handeln. „Die Folgen einer dauerhaft hohen Inflation sind wesentlich gravierender als die höherer Finanzierungskosten einzelner Länder“, sagte Sewing. Da sich gerade Italien zuletzt „recht erfolgreich“ langfristig refinanziert habe, sehe er „kein akutes Problem“. Die hohe Inflation bezeichnet Sewing als „aktuell die größte Gefahr für die deutsche Konjunktur.“ Denn wenn sie nicht zurückgehe, werde der Konsum seiner Einschätzung nach „früher oder später“ einbrechen. Derzeit seien die Rücklagen noch hoch, weil die Menschen während der Pandemie weniger Geld ausgegeben hätten. Manche hätten aber bereits auf ihre Ersparnisse zurückgreifen müssen, um die höheren Ausgaben stemmen zu können. In den kommenden Monaten rechnet Sewing mit einer wachsenden Zahl von Insolvenzen. „Mit den Zinsen steigen auch die Refinanzierungskosten. Das belastet vor allem hoch verschuldete Unternehmen, bedeutet aber nicht, dass diese reihenweise umfallen werden“, sagte der Deutsche-Bank-Chef. Eine „Pleitewelle“ erwarte er nicht. Er beobachte aber, dass die Nachfrage nach Investitionskrediten deutlich zurückgehe. „Größere Vorhaben werden angesichts der unsicheren Lage zurückgestellt“, sagte er. Kritik übte Sewing, der auch Präsident des Bundesverbands deutscher Banken ist, an der aus seiner Sicht ausufernden Regulierung der Branche. „Ich bin mit 80 Prozent der Entscheidungen einverstanden, die die Regulierer seit der Finanzkrise 2008 getroffen haben. Aber irgendwann schießt man übers Ziel hinaus und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Banken“, sagte er.
Als ein Beispiel nannte er den in Deutschland in diesem Jahr erforderlichen antizyklischen Kapitalpuffer und die Beiträge zum europäischen Abwicklungsfonds. „Wir werden in diesem Jahr vermutlich wieder einen neuen Höchstbetrag einzahlen.“ Dabei sei der bereits „mehr als ausreichend“ gefüllt, so Sewig. „Das Geld, das wir dort einzahlen, würden wir lieber sinnvoll für die Finanzierung der Wirtschaft nutzen.“