Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland ist im Jahr 2023 nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) um 0,3 Prozent niedriger gewesen als im Vorjahr. Kalenderbereinigt betrug der Rückgang der Wirtschaftsleistung 0,1 Prozent, wie die Behörde am Montag mitteilte.
„Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland kam im Jahr 2023 im nach wie vor krisengeprägten Umfeld ins Stocken“, sagte Destatis-Präsidentin Ruth Brand bei der Vorstellung der Zahlen in Berlin. „Die trotz der jüngsten Rückgänge nach wie vor hohen Preise auf allen Wirtschaftsstufen dämpften die Konjunktur.“ Hinzu kämen ungünstige Finanzierungsbedingungen durch steigende Zinsen und eine geringere Nachfrage aus dem In- und Ausland. „Damit setzte sich die Erholung der deutschen Wirtschaft vom tiefen Einbruch im Corona-Jahr 2020 nicht weiter fort“, so Brand. Im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, war das BIP 2023 um 0,7 Prozent höher.
Die Entwicklung der Bruttowertschöpfung verlief im Jahr 2023 in den einzelnen Wirtschaftsbereichen unterschiedlich: Die Wirtschaftsleistung im Produzierenden Gewerbe (ohne Baugewerbe) ging insgesamt deutlich um 2,0 Prozent zurück. Entscheidend dafür war eine sehr viel niedrigere Produktion im Bereich Energieversorgung. Das Verarbeitende Gewerbe, welches fast 85 Prozent des Produzierenden Gewerbes (ohne Bau) ausmacht, war im Jahr 2023 preisbereinigt ebenfalls im Minus (-0,4 Prozent). Positive Impulse kamen hier vorrangig aus der Automobilindustrie und dem sonstigen Fahrzeugbau.
Dagegen sanken Produktion und Wertschöpfung in den energieintensiven Industriezweigen wie der Chemie- und Metallindustrie erneut, nachdem die Wirtschaftsleistung in diesen Branchen bereits 2022 besonders stark auf die steigenden Energiepreise reagiert hatte.
Im Baugewerbe machten sich neben den weiterhin hohen Baukosten und dem Fachkräftemangel insbesondere die zunehmend schlechteren Finanzierungsbedingungen bemerkbar. Hiervon war vor allem der Hochbau betroffen. Dagegen konnte die Produktion im Tiefbau und im Ausbaugewerbe gesteigert werden. Insgesamt erreichte das Baugewerbe 2023 preisbereinigt ein kleines Plus von 0,2 Prozent.
Die meisten Dienstleistungsbereiche konnten ihre wirtschaftlichen Aktivitäten im Vorjahresvergleich erneut ausweiten und stützten die Wirtschaft im Jahr 2023. Der Anstieg fiel aber insgesamt schwächer aus als in den beiden vorangegangenen Jahren. Den größten preisbereinigten Zuwachs verzeichnete der Bereich Information und Kommunikation mit +2,6 Prozent und knüpfte damit an seine langjährige, nur im ersten Corona-Jahr 2020 gebremste Wachstumsgeschichte an. Der Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit (+1,0 Prozent) und die Unternehmensdienstleister (+0,3 Prozent) konnten ebenfalls leicht zulegen.
Dagegen ging die preisbereinigte Bruttowertschöpfung im zusammengefassten Wirtschaftsbereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe (-1,0 Prozent) zurück. Das lag vor allem am Groß- und am Einzelhandel, die deutlich nachgaben, während der Kraftfahrzeughandel und der Verkehrsbereich zulegten. Insgesamt ging die preisbereinigte Bruttowertschöpfung im Jahr 2023 leicht zurück (-0,1 Prozent).
Der private Konsum nahm im Jahr 2023 preisbereinigt um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr ab und entfernte sich damit wieder vom Vorkrisenniveau des Jahres 2019 (-1,5 Prozent), so die Statistiker weiter. Dies dürfte vor allem auf die hohen Verbraucherpreise zurückzuführen sein. Von Rückgängen waren vor allem die Bereiche betroffen, in denen die Preise im Jahresverlauf entweder auf dem hohen Niveau des Vorjahres verharrten oder sogar noch weiter anstiegen. Besonders stark sanken die preisbereinigten Ausgaben für langlebige Güter wie Einrichtungsgegenstände und Haushaltsgeräte (-6,2 Prozent).
Auch der Staat reduzierte im Jahr 2023 erstmals seit fast 20 Jahren seine preisbereinigten Konsumausgaben (-1,7 Prozent). Das lag vor allem am Wegfall staatlich finanzierter Corona-Maßnahmen wie Impfungen und Ausgleichszahlungen für freie Bettenkapazitäten in Krankenhäusern. Durch solche Maßnahmen hatte der Staatskonsum in den Jahren ab 2020 die Wirtschaftsleistung gestützt.
Die Bauinvestitionen sanken im Jahr 2023 preisbereinigt um 2,1 Prozent. Neben den hohen Baupreisen wirkten sich die spürbar gestiegenen Bauzinsen aus, die insbesondere den Wohnungsbau bremsten. Positive Signale kamen lediglich vom Ausbaugewerbe, was unter anderem an den stark nachgefragten energetischen Sanierungen gelegen haben dürfte. In Ausrüstungen -wurde dagegen preisbereinigt deutlich mehr investiert als im Jahr 2022 (+3,0 Prozent). Dazu trug vor allem der Anstieg der gewerblichen Pkw-Neuzulassungen bei, der durch den bis August 2023 geltenden Umweltbonus für Elektroautos im Firmenwagenbereich verstärkt wurde.
Die verhaltene weltwirtschaftliche Dynamik und die schwache inländische Nachfrage im Jahr 2023 machten sich auch beim Handel mit dem Ausland bemerkbar, der trotz sinkender Preise zurückging. Dabei sanken die Importe (preisbereinigt -3,0 Prozent) kräftiger als die Exporte (preisbereinigt -1,8 Prozent). Damit kam es im Saldo zu einem positiven Außenbeitrag, der das BIP stützte.
Die staatlichen Haushalte beendeten das Jahr 2023 nach vorläufigen Berechnungen mit einem Finanzierungsdefizit von 82,7 Milliarden Euro. Das waren etwa 14 Milliarden Euro weniger als im Jahr 2022 (96,9 Milliarden Euro).
Im aktuellen Ergebnis für das BIP 2023 ist eine erste Schätzung für das vierte Quartal 2023 enthalten. Diese basiere auf einer unvollständigeren Datenbasis als die reguläre Quartalsrechnung und sei daher mit einer „höheren Unsicherheit“ behaftet, so das Bundesamt. Nach bisherigen Erkenntnissen ging das BIP im vierten Quartal 2023 preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal zurück, nachdem es im dritten Quartal stagnierte.