Der Ausbau der erneuerbaren Energien laufe ins Leere, sofern die Leitungen damit nicht Schritt hielten, heißt es in einer Studie des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), über welche die FAZ berichtet. „Alle reden über Wind und Sonne, nicht über die Netze“, sagte ZVEI-Geschäftsführer Wolfgang Weber der Zeitung.
Aber deren Modernisierung sei genauso entscheidend, sonst schaffe man die Klimaziele nicht. „Politik und Netzbetreiber sollten sich nicht allein auf den Trassenausbau konzentrieren, sondern, mindestens so wichtig, auf die Digitalisierung.“ Die Studie des ZVEI regt der FAZ zufolge den Aufbau eines „Klimaneutralitätsnetzes“ an. Damit könne die deutsche Stromversorgung zwischen 2030 und 2045 wie von der Bundesregierung vorgesehen „treibhausgasneutral“ werden. Noch aber seien die dafür nötigen technischen, rechtlichen und betrieblichen Erfordernisse „in den bisherigen Planungen nahezu vollkommen unberücksichtigt geblieben“, zitiert die Zeitung aus dem Papier. Nur zwei von 39 Voraussetzungen (Funktionalitäten) seien erfüllt. „Die Umsetzung der Planungsvorgaben der Bundesregierung ist nicht schnell und vollständig genug“, so das von der Beratungsgesellschaft PWC erstellte Gutachten. Die größten Lücken bestünden in den niederen Spannungsebenen. Das Verteilnetz sei völlig unzureichend digitalisiert. Das halten die Autoren der Studie deshalb für riskant, weil sie auf der Hochspannungsebene vorübergehende Leistungsdefizite von 240 Gigawatt erwartet. Da Großkraftwerke künftig fehlten, müsse der Strom dann aus den von Wind und Sonne abhängigen Verteilnetzen kommen. Das sei nur möglich mit einer digitalen Abstimmung zwischen dezentralen Erzeugern, Verbrauchern und Speichern, darunter geparkten Elektroautos. Verbandschef Weber kritisierte, dass die Verteilnetze oft den Kommunen gehörten, die politisch gut verdrahtet seien und sich querstellten. „Viele Verteilnetzbetreiber haben in der Digitalisierung lange geschlafen und sind damit davongekommen“, sagte er der Zeitung. „Ich will nicht gleich über Sanktionen reden, aber die Politik muss stärker nachfassen, damit die Betreiber in der Netzmodernisierung Gas geben.“ Er forderte die Bundesnetzagentur dazu auf, Daten zum Drosseln oder Abschalten durch einzelne Verteiler zu sammeln und zu publizieren.
„Wenn man öffentlich macht, wie oft die Netzbetreiber statisch herunterregeln, würden die Nachzügler gezwungen, stärker in die Digitalisierung und nötigenfalls in den Ausbau zu investieren“, sagte er. Der ZVEI erwartet steigende Netzentgelte. Doch könnte dieser Preisauftrieb durch fallende Stromtarife kompensiert werden, weil es künftig flexible Preise je nach Tageszeit gebe. „Nach unserer Einschätzung schlummern im Strompreis erhebliche Einsparpotentiale“, so Weber.
Er plädierte dafür, auch Privathaushalten zu ermöglichen, langfristige Lieferverträge direkt mit Ökostromproduzenten einzugehen. Bisher sind solche PPA nur für Industrieunternehmen erlaubt. „Künftig könnten zum Beispiel zehn Einfamilienhäuser gemeinsam am Markt auftreten, in einer Art von `Volks-PPA`“, schlug Weber vor.