In der Beziehung zwischen dem Management der Deutschen Bahn und der Spitze der Lokführergewerkschaft GDL ist keine Besserung in Sicht. Es liege nicht nur daran, dass die handelnden Personen menschlich nicht miteinander können, sagte der stellvertretende Bundesvorstand Mario Reiß dem „Tagesspiegel“ (Donnerstagsausgabe). „Der Bahnvorstand muss seine Herangehensweise gegenüber der GDL verändern.“
Reiß gilt als voraussichtlicher Nachfolger von GDL-Chef Claus Weselsky, der im Herbst in den Ruhestand geht. „Als einziges Unternehmen in Deutschland wendet die Bahn das Tarifeinheitsgesetz an – das ist eine offene Kriegserklärung gegen die GDL“, kritisierte Reiß.
Das umstrittene Gesetz schreibt vor, dass in den 300 Unterbetrieben der Deutschen Bahn nur der Tarifvertrag der jeweils größeren Gewerkschaft gilt. Seit der vorletzten Tarifrunde finden sich viele GDL-Lokführer deshalb in sogenannten „blauen Betrieben“ wieder, in denen die Konkurrenzgewerkschaft EVG die Mehrheit hat.
Eine Versöhnung mit der größeren EVG und eine Tarifgemeinschaft kann sich Reiß nicht vorstellen. Wendet die Bahn aus seiner Sicht das Tarifeinheitsgesetz doch nicht zuletzt auf Druck der EVG an. „Unsere gewerkschaftliche Konkurrenz hat in der Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber versucht, ihre Schwäche zu kaschieren“, sagte er.
Den Fahrgästen machte Reiß indes Hoffnung, dass es 2026 bei der nächsten Tarifrunde mit der Deutschen Bahn nicht erneut monatelang immer wieder zu Bahnstreiks kommt. „Es ist durchaus möglich, dass wir auch in der nächsten Tarifrunde mit der Deutschen Bahn ohne großen Stress ein ordentliches Ergebnis erzielen können. Klar ist aber auch, dass man beide Seiten dafür braucht.“
Für öffentliche Kritik bei Bahnstreiks fühlt sich Reiß gerüstet: „Es ist bewundernswert, wie viel Häme und Kritik Claus Weselsky auf sich genommen hat“, sagte er. Zwar kann sich Reiß vorstellen, dass die GDL künftig öffentlich stärker als Team auftritt, er hält sich aber auch für ausreichend belastbar. „Ich glaube, dass ich der Sache gewachsen bin“, sagte er. Zugleich hat sich Reiß noch etwas Medientraining vorgenommen: „Ich muss ernsthaft daran arbeiten, unsere Anliegen so gut wie Claus Weselsky auf den Punkt zu bringen.“