„Ich fordere mehr Engagement von den Unternehmen. Die Firmen müssen – gerade in Sparten mit großem Mangel – Leute in kleinen Lerngruppen und mit Werksunterricht ausbildungsfähig machen und sie ins Berufsleben führen“, sagte Gewerkschaftsvize Christiane Benner dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.
Besonders schlimm sei, dass Hauptschüler kaum noch Zugang zum Ausbildungsmarkt hätten. „Wir brauchen eine Trendumkehr“, so Benner weiter. Es gelte, das Übergangsmanagement von der Schule in den Beruf verbessern. Ferner müssten die Unternehmen den seit Jahren anhaltenden Rückgang der Ausbildungsstellen unbedingt stoppen, da dort gerade eine Abwärtsspirale entstehe, warnte Benner.
„Firmen stellen hohe Erwartungen und sagen: Wir finden keine Azubis mehr, deshalb reduzieren wir die Zahl der Ausbildungsplätze. Viele junge Menschen wollen eine Ausbildungsstelle, kriegen aber keine. Hier müssen sich Unternehmen umstellen“, forderte die Vize-Chefin der Gewerkschaft. Besonders große Sorgen bereitet Benner, dass es nach ihren Angaben derzeit 2,3 Millionen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren in Deutschland gibt, die keinerlei abgeschlossene Ausbildung haben: „Wir zählen alle Vögel, die in den Süden fliegen. Wir wissen aber nicht, wo die Leute verbleiben, die keine Ausbildung haben“, sagte Benner und fügte hinzu: „Das ist nicht akzeptabel und peinlich für ein hoch entwickeltes Land wie Deutschland.“
Mit Blick auf die wachsenden Aufgaben der Betriebe beim Thema Nachhaltigkeit forderte Benner mehr Mitspracherechte für Belegschaften. „Wir wollen mehr Mitbestimmung für Beschäftigte über die strategische Ausrichtung, auch in ökologischen Fragen.“ Nach ihren Worten müssen Arbeitgeber sich intensiver mit Konzepten von Betriebsräten für nachhaltige Unternehmenskonzepte auseinandersetzen.
Als Beispiel führte sie eine ressourcenschonende Produktion an, die zwar Investitionen brauche, dafür aber schneller das Ziel eines geringeren CO2-Ausstoßes erreiche. „Bislang können Arbeitgeber zu solchen Vorschlägen einfach Nein sagen. Wir kommen deshalb zu oft sehr schnell ins kurze Gras und können dann nur noch Sozialtarifverträge verhandeln“, so die IG-Metall-Funktionärin, die eine Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes verlangt. Sie räumt allerdings ein, dass ihrer Organisation in diesem Feld eine heftige Auseinandersetzung bevor stehe: „Ich halte es aber für absolut wichtig, diese Debatte zu führen, denn es geht ums Eingemachte: Wie viel industrielle Wertschöpfung wird angesichts der umfassenden Transformation hierzulande erhalten? Davon hängt dann auch die Entwicklung der Einkommen in Deutschland ab.“
Die nächsten zwei bis drei Jahre seien da absolut entscheidend. Die IG Metall entscheidet im Herbst über die Nachfolge ihres scheidenden Ersten Vorsitzenden Jörg Hofmann. Benner hat bereits signalisiert, dass sie kandidieren will. In der Gewerkschaft wird derzeit über eine Doppelspitze diskutiert.
Die 55-jährige Diplom-Soziologin wäre die erste Frau an der Spitze der größten deutschen Gewerkschaft.