Im vergangenen Jahr verzeichnete die Europäische Flugkontroll-Organisation (Eurocontrol) mehr als 94.000 Starts von sogenannten Business-Flugzeugen in Deutschland – etwa 8.000 mehr als im Vorjahr, berichten NDR und „Süddeutsche Zeitung“. Damit machten diese Flüge mehr als zwölf Prozent des gesamten Flugverkehrs aus.
Fast drei Viertel der Flüge, die in Deutschland gestartet sind, waren kürzer als 500 Kilometer, 60 Prozent sogar kürzer als 300 Kilometer. Häufig geflogene Strecken waren etwa Hamburg – Sylt oder Berlin – München. Bei längeren Flügen war der mit Abstand häufigste Zielort Mallorca. Europaweit stiegen die Treibhausgas-Emissionen durch Privatjets nach Recherchen der beiden Medien auf umgerechnet etwa zehn Millionen Tonnen CO2. Viele dieser Flüge sind aus Sicht von Kritikern überflüssig. „Wir können aus Klima-Perspektive nicht länger zuschauen, dass viele Reisen mit dem Flugzeug gemacht werden, gerade mit Privat-Flugzeugen, die auch genauso gut mit der Bahn absolvierbar wären oder meinetwegen mit dem Privatwagen“, sagte Stefan Gössling von der Linnaeus-Universität in Schweden. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Klimaschaden durch Flugabgase etwa dreimal so hoch ist wie die ausgestoßene Menge an CO2. Eigentlich müssen Luftfahrtunternehmen seit 2012 am EU-Emissionshandel teilnehmen und darüber CO2-Rechte kaufen, doch viele Betreiber von Privatjets profitieren von einer Ausnahmeregel. Danach müssen gewerbliche Anbieter erst ab 10.000 Tonnen CO2 jährlich am Emissionshandel teilnehmen, für nicht-gewerbliche Betreiber gilt eine Grenze von 1.000 Tonnen im Jahr. Die EU hat sich zwar im Dezember auf eine Ausweitung des Emissionshandels verständigt, aber diese Ausnahme wird bestehen bleiben.
Die EU-Kommission teilte auf Anfrage von NDR und „Süddeutscher Zeitung“ mit, sie habe dazu keine Änderung vorgeschlagen, und dies sei auch nicht in den Verhandlungen angesprochen worden. Die Regel sei eingeführt worden, weil sonst der Verwaltungsaufwand zu groß sei. Er stünde in keinem angemessenen Verhältnis zum ökologischen Nutzen, so die Brüsseler Behörde. Auch das Bundeswirtschaftsministerium bestätigt, dass Änderungen an dieser Ausnahmeregel „nie Bestandteil der Diskussionen auf EU-Ebene und innerhalb der Bundesregierung“ gewesen seien.
Stattdessen engagiere sich die Bundesregierung etwa bei der Forschung und Förderung innovativer Technologien und Kraftstoffe, teilte das Verkehrsministerium mit. So solle Deutschland zum „Vorreiter des CO2-neutralen Fliegens“ werden. Doch viele Wissenschaftler bezweifeln, dass es möglich ist, alle Flüge klimaneutral durchzuführen, insbesondere weil nicht nur das ausgestoßene CO2 zur Erderhitzung beitrage. Laut einer Studie der ETH Zürich vom Juli 2022 kann die Technologie „zwar theoretisch das Wachstum der Luftverkehrsnachfrage und die Abschwächung des Klimawandels miteinander vereinbaren“, doch das beruhe „auf sehr ehrgeizigen und möglicherweise nicht realisierbaren technologischen Durchbrüchen und optimistischen Annahmen“.