Deutsche Wirtschaftswissenschaftler nehmen den französischen Starökonomen Thomas Piketty und seine Mitstreiter Gabriel Zucman und Emmanuel Saez gegen Zweifel an ihren Befunden zur sozialen Ungleichheit in Schutz. „Die neuerliche Kritik an den Arbeiten von Piketty, Zucman und Saez ist nicht mehr als ein Sturm im Wasserglas“, sagte Moritz Schularick, Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), dem „Spiegel“.
„Die Einkommensungleichheit in den USA und anderen westlichen Ländern ist den vergangenen Jahrzehnten gestiegen“, so Schularick, der seit Jahren zur Ungleichheit in Deutschland forscht und seine Forschungsergebnisse 2020 gemeinsam mit Piketty im Bundesfinanzministerium vorgestellt hat. „Das zeigen nicht nur die Daten von Piketty, sondern auch viele andere Erhebungen.“
Zum wiederholten Male hatten andere Forscher in jüngster Zeit Pikettys Interpretation von Daten kritisiert und seinen Befund angezweifelt, wonach die Ungleichheit in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen habe. „Piketty ging mit seinen Quellen unachtsam um“, sagte der kanadische Ungleichheitsforscher Vincent Geloso: „Wenn man die Fehler summiert, kann man die Forschungsergebnisse für den Zeitraum vor 1960 wegwerfen.“
Zwar gebe es Möglichkeiten, die Datenlage zur Verteilung der Einkommen weiter zu verbessern, sagte Judith Niehues vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, insgesamt aber wisse die Forschung heute mehr als je zuvor über die Einkommensungleichheit. Gerade deshalb fielen Unstimmigkeiten schneller und stärker auf als früher. „Wir wissen inzwischen so viel, dass wir viel exakter benennen können, was wir noch nicht wissen“, so Niehues.
Trotz des Streits über eine Zunahme der Ungleichheit sind sich Wissenschaftler grundsätzlich einig, dass eine kleine Gruppe von Milliardären einen Großteil des globalen Reichtums besitzt. „Piketty behauptet, wir würden die Ungleichheit leugnen“, sagte Geloso. „Aber davon war doch nie die Rede.“