Ab wann steht die Glaubwürdigkeit der Politik in Frage?

Am Dienstagabend sprach Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans in den ARD-Tagesthemen über die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Der Saar-MP möchte sie nun aussetzen, anders als noch vor wenigen Wochen. Wahlkampftaktik? Eine kommentierte Analyse.

Zwei Jahre Pandemie liegen nun hinter der Welt. Aber auch zwei Jahre voller Kontroverse, Diskussion, Spaltung und Wendehalsmanövern der Politik. 

Erinnern möchte ich an Maßnahmen, die innerhalb weniger Tage umgesetzt wurden, wie der Abschaffung der Maskenpflicht an Saarlands Schulen wenige Tage vor der Bundestagswahl. Was daraus wurde, weiß jeder Elternteil zu genüge.

Doch die aktuelle Wendung des saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans (CDU) ist durchaus bemerkenswert. Und sie ist offensichtlich.

Neu-CDU-Parteichef Friedrich Merz, bekennender Skeptiker, ob eine Impfpflicht überhaupt umsetzbar wäre, peitschte seine Partei auf Kurs. Den ersten Schritt machte der ehemalige Gründer von Team-Vorsicht, Markus Söder (CSU), der auf Konfrontationskurs in Sachen Umsetzung der Impfpflicht in der Pflege in Bayern ging. 

Und nun also, eineinhalb Monate vor der Landtagswahl im Saarland, auch der saarländische MP. Dieser versucht sich, zugegebenermaßen geschickt, gegen die Impfpflicht zu positionieren, wenn der in den Tagesthemen sagt: „Es droht, große Unterscheide zu geben in der Umsetzung der aktuellen Impfpflichtgesetzgebung mit Blick auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht, und das führt einfach dazu, dass Chaos entsteht in Deutschland“.

Dies könne zu einem „unverantwortlichen Verschiebebahnhof“ führen, damit sei „den zu schützenden Personen nicht geholfen“. Gleichzeitig feuert er, als Oppositionsanhänger gegen die Regierung, dass diese nachbessern müsse. Dass seine Partei unter Gesundheitsminister Spahn diese Impfpflicht zwei Jahre nicht umsetzen konnte, gleichzeitig die Ampel-Regierung nicht einmal 100 Tage im Amt ist: Vergessen.

Hans sagte auch, durch Omikron habe sich „einiges verändert“. Auch der Verweiß, dass er im Dezember im Bundesrat der Impfpflicht zugestimmt habe, bringt der charmante Ministerpräsident unter. Diese Position sei jedoch überholt. 

Quelle: Saarbücker Zeitung

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch ein Interview, welches der Ministerpräsident der Zeitung „Welt“ am 19.01, also vor etwas mehr als zwei Wochen gegeben hat. Dort sagte er beispielsweise: „Im Süden und im Osten haben wir nach wie vor viel zu niedrige Impfquoten. Wenn wir das Virus laufen lassen, muss es auf eine durchgehend geimpfte Bevölkerung treffen. Und so weit sind wir leider noch nicht.“ Auf die Frage, ob Omikron mit seinen milden Verläufen die Grundlage der Impfpflicht verändert habe, antwortete Hans: „Die Grundlagen haben sich nicht geändert. Natürlich stoppt die Impfpflicht nicht die Omikron-Welle. Aber die Impfpflicht hilft uns, mit einer hohen Impfquote im Herbst nicht mehr auf weitgehende Beschränkungen setzen zu müssen. Die Zeit drängt.

Interviewquelle: Welt.de

Übrigens ist dies nicht das erste Mal, in dem aus Tobias Hans ein „Wendehans“ wurde, wie er gerne kritisch von den Menschen in den sozialen Medien genannt wird: Am 22.11.2021 sagte der Saar-MP laut einem Bericht des SR gegenüber Anne Will, dass eine Debatte über die Impfpflicht zu früh sei – um nur wenige Wochen später, im Dezember, der Impfpflicht im Bundesrat zuzustimmen. 

Quelle: SR.de

Doch wer nun denkt, dass der saarländische Ministerpräsident ständig seine Meinung ändert, der sollte sich das Interview bei Markus Lanz vom 07.01.2022 anschauen.

Dort sprach sich der CDU-Mann sogar für ein Impfregister mit Klarnamen der geimpften Personen aus.

„Wir werden nicht um eine Impfpflicht herumkommen“, sagte Hans. Er bekannte sich dabei auch zu einem Impfregister, sollte die Impfpflicht kommen. Darin sollten dann die Klarnamen der Bürger stehen.

Quelle: Saarbrücker Zeitung

Im gleichen Interview kritisierte Markus Lanz übrigens auch diese wechselhafte Meinung beim Saar-MP.

Dürfen Politiker ihre Meinung ändern?

Wer nun denkt, ein Politiker dürfe seine Meinung nicht revidieren, der irrt. Ich persönlich und vermutlich viele Bürgerinnen und Bürger im Land erwarten von Politikern eine umfassende Selbstreflexion unter Beachtung der neusten Fakten und Erkenntnisse. Wenn diese Sprunghaftigkeit jedoch zu Wahlkampfzwecken genutzt wird, überschreitet die Politik Grenzen.

Es geht dann um nichts geringeres mehr als um die Glaubwürdigkeit der Politik. Wie kann ein Politiker am 22.11.2021 eine Impfpflichtdebatte als „verfrüht“ bezeichnen, wenn er am 10.12.2021 der Impfpflicht zustimmt, um dann am 7.1.2022 sogar ein Impfregister mit Klarnamen zu fordern und am 19.01.2022 davon zu sprechen, dass die „Zeit drängt“, die Impfpflicht einzuführen um dann, am 8. Februar von der Impfpflicht wieder abzurücken? 

Ist dies glaubhafte Politik? Entscheiden Sie selbst.

Ein Problem, dass seit Jahren besteht

Diese Thematik besteht bereits seit Pandemiebeginn. Eine sprunghafte, ständig neue Situation und Meinung wird geschaffen. Entweder um sich als großer Anführer in der Pandemie zu gerieren, ich erinnere noch einmal an den bajuwarischen Kraftprotz Markus Söder, der ähnlich viele Wendehalsmanöver durchgeführt hat, wie sein saarländischer Mitstreiter aus der CDU.

Mal wollte man der Anführer beim „Zügel anziehen“ sein, Mal wollte man als erstes „lockern“. Der saarländische MP hat hierfür sogar das „Saarland-Modell“ eingeführt. 

Während zu Beginn der Pandemie der Schutz der Bürgerinnen und Bürger oberste Priorität hatte, gewinnt man mit andauernder Corona-Zeit den Eindruck, es gehe vor allem darum, mediale Aufmerksamkeit zu erhaschen. Natürlich möchte ich keinem Politiker unterstellen, dass ihm der Schutz der Menschen nichts bedeute, die mediale Effekthascherei wurde nur anteilig größer.

Ist dies die „moderne Zeit“? Scheinbar. Muss man das gut finden? Nein. Möchte ich einen Ministerpräsidenten, der innerhalb von zweieinhalb Monaten drei Meinungen zum selben Thema vertritt? Nein.

Gibt es Alternativen? Vermutlich aktuell nicht. Denn auch bei anderen ist nicht alles Gold, was glänzt. Es wäre jedoch an der Zeit, dass die bedeutenden Medienhäuser der Republik solche Vorgänge deutlicher offenlegen und damit den Druck auf die Politik für eine seriösere, anständigere und wieder deutlicher von Moral und Werten geprägte Handlungsweise forciert.


Transparenzinformation
Es handelt sich hierbei um eine kommentierte Analyse mit Meinung des Redakteurs. Diese müssen Sie sich nicht zu Eigen machen. Denken Sie selbst über die Themen nach und bilden Sie sich nach eigener Recherche ein eigenes Urteil.

Kolumnenhinweis

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Kolumne des genannten Autors. Bei, in der der Redakteur seine Meinung äußert. Diese muss nicht mit der des Verlages übereinstimmen.



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