Corona-Krise offenbart bildungspolitisches Vakuum

Seit Beginn der Corona-Krise werden Eltern und insbesondere deren Kinder von der Politik gnadenlos im Stich gelassen. Die Krise offenbart, wie schlecht es um unser Bildungssystem wirklich steht. Ein Kommentar.

Kinder haben keine Lobby. Diese Plattitüde traf in den letzten Jahren selten so ins Schwarze wie während der Corona-Krise.

Dass das „normale Leben“ wieder in großen Teilen an Fahrt aufgenommen hat, wurde spätestens seit der Fortsetzung der Fußball-Bundesliga sichtbar. Doch zu diesem Zeitpunkt durften die, die all die Corona Subventions- und Zuschussorgien der Bundesregierung im Laufe ihres Lebens bezahlen dürfen, die Kinder, nicht zum Unterricht.

Fußballer dürfen sich nach Toren umarmen, verschwitzt, auf engstem Raum, doch der kleine Timmy darf der Marie auf dem Spielplatz nicht näher als 1,50 Meter auf die Pelle rücken.

Ab Montag dürfen nun wieder Kitas zu einem eingeschränkten Regelbetrieb übergehen, aber natürlich nicht flächendeckend einheitlich. Auch hier macht jedes Bundesland, Föderalismus sei Dank, was es will. Familienministerin Giffey spricht mittlerweile davon, dass nach den Sommerferien wieder regulärer Schulbetrieb stattfinden kann. Dann ist die Bundesliga längst abgeschlossen. Wo bleibt der Aufschrei der Menschen, wenn es um Bildung geht?

Die Rettung von TUI, Bahn, Lufthansa, aber auch ThyssenKrupp, die nun offen über einen Verkauf nach China (wohlgemerkt, nachdem sie mehrere Milliarden Staatshilfe bekommen haben) nachdenken, aber auch Italien, Griechenland, Spanien und Frankreich: An jeden wird gedacht, nur nicht an unsere Kinder.

Die Bundesregierung spricht über Digitalisierung, Bildungsoffensiven und vieles mehr. Doch der Blick in die lokale Grundschule offenbart, wie armselig die Ausstattung auch 2020 noch ist.

Eltern wurden, in völliger Verzweiflung zu Lehrern gemacht, ohne auch nur ernsthaft darüber nachzudenken, ob dieser Job überhaupt mit dem Home-Office, der existierenden Existenzangst und dem vorhandenen Bildungsgrad in Einklang zu bringen ist.

Am Beispiel Saarland zeigt sich die völlige Überforderung der Landesregierung noch deutlicher. Die „OSS“, die Online-Schule-Saar, entwickelt sich, so die Landeselternvertretung der Gymnasien im Saarland, „zu einem Rohrkrepierer“. Abgestürzt, gehackt, langsam und die Aussage einiger Lehrer, mit dem System nur dann zu arbeiten, wenn es eine Dienstanweisung gäbe, zeigt: Statt eines Portals für alle Schulen, einer gemeinsamen Richtline oder gar eines Konzepts werkeln mehrere Schulen an eigenen Lösungen, unter anderem mit dem Softwarekonzern SAP.

Doch zurück auf Bundesebene: Wo war in der Krise eigentlich Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU)? Spätestens jetzt zeigt sich, dass der Bund ein Kompetenzvakuum im Bildungsministerium beherbergt.

Aber auch Familienministerin Giffey überzeugte nicht wirklich. Erst nachdem die Pandemie bereits wochenlang Deutschland lahmlegte, wurde sie aktiv. Wie konnte sie hinnehmen, dass Schulen und Kitas von „heute auf Morgen“ geschlossen wurden, ohne einen Plan, wie die Betreuung der Familien überhaupt aussehen soll?

Auch wenn die Familienministerin in den letzten beiden Wochen aktiver wurde darf man eines nicht vergessen: Erst nachdem vier Ärzte-Organisationen quasi mit „Lobbyarbeit“ die Öffnung von Schulen und Kitas forderten, zog Giffey nach. Besser spät, als nie mag man sagen.

Am Ende steht ein bildungspolitischer Offenbarungseid: Ohne genaue Studien darüber zu haben, ob Kinder überhaupt so infektiös sind, wurden Familien ins Chaos gestürzt und Kindern das Recht auf Bildung entzogen.

Gleichzeitig durften die Fußballer aber bereits wieder ihrem Sport nachgehen. Die Verhältnismäßigkeit fehlte und sie fehlt immer noch.

Und spätestens, wenn, wie tatsächlich geschehen, Biergärten in Bayern vor Schulen und Kitas öffnen dürfen, läuft in unserem Land etwas verkehrt.




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