Kolumne / Meinung

Handelt endlich!

Angela Merkel will mit aller Gewalt mehr Kompetenzen im Kanzleramt bündeln und erntet hierfür Lob und Anerkennung, auch von einer Bevölkerung, die offenbar verlernt hat, selbst zu denken und eigenverantwortlich zu handeln. Ein Kommentar.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will mehr Macht. Hierfür will Sie in der kommenden Woche das Infektionsschutzgesetz anpassen. Darin verankert werden sollen Kompetenzen, die der Bund per Zwang über die Bundesländer verhängen kann.

Hierzu gehören beispielsweise nächtliche Ausgangssperren ab einer Inzidenz von 100, Schulschließungen ab einer Inzidenz von 200.

Private Treffen wären nur noch mit einem weiteren Haushalt und insgesamt maximal fünf Personen gestattet. Selbst abendliche Spaziergänge alleine mit dem Hund ab 21 Uhr wären verboten.

Auch Ladengeschäfte sollen bei Überschreiten der 100er-Inzidenzmarke per Verordnung geschlossen werden, genauso wie Freizeiteinrichtungen und Gruppensport, der ebenfalls untersagt wäre.

Dass die Gastronomie und sämtliche touristischen Angebote geschlossen bleiben, ist mittlerweile „selbstverständlich“.

Befürwortet wird dieser Vorschlag von CDU und SPD. Übrigens auch ungeachtet zahlreicher Gerichtsurteile, die per Beschlüsse fast alle von der Regierung nun geplanten Maßnahmen in irgendwelchen Bundesländern in der Luft zerrissen haben.

  • Im Saarland wurden die Ladenschließungen gerichtlich untersagt
  • In Niedersachsen wurde Ende März die Kontaktbeschränkung für private Zusammenkunft teilweise gekippt
  • In Hannover wurde die Ausgangssperre in der Nacht mit einer schallenden Ohrfeige an die Politik beendet.
  • Die Kilometer-Regel wurde in zahlreichen Urteilen gekippt
  • In Bayern dürfen Schuhläden per Gerichtsbeschluss wieder öffnen
  • In Heesen, im Mainz-Kinzig-Kreis, wurde die nächtliche Ausgangssperre vor wenigen Tagen gekippt
  • Das Robert-Koch-Institut sieht auch heute den Einzelhandel nicht als „Ursache“ für die Verbreitung, sondern Privathaushalte, Schulen, Kitas und das berufliche Umfeld

All diese Gerichtsurteile würden durch die Bundesregelungen über den Haufen geworfen und missachtet.

Der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Richterbund, Jens Gnisa, hält dieses Vorgehen für „willkürlich“. Er sagt: „Nur auf die Inzidenz abzustellen ist bei derartig drastischen Maßnahmen willkürlich, weil die reine Inzidenz davon abhängt wie viel getestet wird. Dies ist manipulierbar. Ab einer Inzidenz von 100 nächtliche Ausgangssperren zu verhängen, obwohl von Gerichten deren Wirksamkeit angezweifelt wurde, ist eine Nichtachtung der Justiz. Eltern ab einer Inzidenz von 100 zu verbieten ihre Kinder zu treffen entspricht für mich auch nicht dem Bild des Grundgesetzes. Das ist auch nicht der Brückenlockdown von 2 oder 3 Wochen der diskutiert wird, sondern ein nicht mehr einzufangender Dauerlockdown. Unsere Gesellschaft wird gewissermaßen auf Autopilot gestellt. Kein Bürgermeister, kein Landrat, kein Ministerpräsident, kein Landtag nicht einmal ein Verwaltungsgericht kann mehr korrigierend eingreifen. Wenn das nicht gewollt ist könnte man dieses Gesetz zumindest auf 2 oder 3 Monate befristen.“

Es braucht keine Machtergreifung über die Länder

Ein solches Vorgehen aus dem Bundeskanzleramt lehne ich mit maximaler Vehemenz ab. Es kann und darf nicht sein, dass eine Bundeskanzlerin oder ein Bundeskanzler sich, weil ihm föderale Entscheidungen innerhalb des Landes nicht passen, Gesetze nach seinem Wunsch abzuändern.

Die Mittel und Werkzeuge, die Pandemie in den Griff zu bekommen sind vorhanden. Bereits aktuell kann jedes Bundesland, auch der bayrische Zampano Graf Söder, rigorose Maßnahmen wie einen Lockdown verhängen.

Es braucht nicht die Bundeskanzlerin, um solche Entscheidungen zu treffen. Und auch ein Ministerpräsident Tobias Hans kann das Modellprojekt unverzüglich pausieren.

Die Gerichte urteilten klar, dass die Inzidenz nicht alleinig ausschlaggebend für Grundrechtseinschränkungen sein dürfen. Auch die Intensivbettenauslastung spielt eine Rolle. Im Saarland beispielsweise sind seit Wochen schwankend ca. 20 Prozent der Kapazitäten frei. Mal sind es 24 %, mal 14. Im Schnitt sind – glücklicherweise – mehr als 80 sofort betreibbare Intensivbetten frei. Weitere 243 können innerhalb 7 Tagen per Notreserve in Betrieb gehen.

Dies möchte ich jedoch nie in Betrieb sehen müssen. Denn das würde bedeuten, dass wir kurz vom „Ertrinken“ wären und das Personal maximal überlastet sei, wenn überhaupt noch einsatzfähig.

Damit ist die Marschroute klar: Eine Überlastung des Gesundheitssystems muss vermieden werden. Aktuell sieht es in einigen Bundesländern nicht gut aus, Dort müssen alle Alarmsirenen läuten.

Aber in anderen Bundesländern steht offenbar keine Überlastung bevor.

Statt also stupider, mittelalterlicher Maßnahmen aus dem Bundeskanzleramt, sollte man endlich damit beginnen, aus seinen Fehlern zu lernen.

Saarlandmodell nachschärfen – Schulöffnungen nur mit Testpflicht

Aktuell ein „Saarlandmodell“ nachzuschärfen und vielleicht bestimmte, kritische Bereiche stärker zu reglementieren, wäre kein Zeichen von Schwäche, sondern von Führungsstärke. Aktivitäten in geschlossenen Räumen stellen nach wissenschaftlichem Konsens ein sehr hohes Risiko dar. Hier müsste also der Fokus deutlich stärker darauf gerichtet werden.

Auch der Plan von Kultusministerin Streichert-Clivot, die Schulen ohne verpflichtendes Testkonzept zu öffnen, ist ein Himmelfahrtskommando.

Es gibt genügend Studien, die belegen, dass die britische Mutante insbesondere Kinder betrifft, die zu „Verteilern“ des Virus werden. Eine Testpflicht nur an weiterführenden Schulen durchzusetzen, gleicht einer beispiellosen Fehleinschätzung der Ministerin.

Eine Rückkehr zum Präsenzunterricht ab 19. April kann und darf nur dann statatfinden, wenn ALLE Kinder und auch Lehrerinnen und Lehrer mindestens zweimal, besser drei Mal pro Woche verpflichtend getestet werden. Alle, die dieser Maßnahme nicht zustimmen, sollten zwingend aus der Schule bleiben und per Fernunterricht unterrichtet werden.

Länderchefinnen und -Chefs müssen handeln

Aktuell blicken alle politischen Akteure auf Beliebtheitswerte und bevorstehende Wahlen. Dies interessiert keine Bürgerin und keinen Bürger.

Aus diesem Grund müssen die Länderchefinnen und Länderchefs endlich ihre politischen Ziele außer Acht lassen und das tun, was richtig wäre: Zu handeln.

Die bereits vor Wochen vereinbarte Notbremse sollte zwingend umgesetzt werden. Und wenn es per landesweitem Lockdown ist.

Dieser muss ordentlich vorbereitet, sauber kommuniziert und zeitlich befristet werden. Im Anschluss wird das öffentliche Leben wieder hochgefahren, mit verbindlichen Tests im großen Stil.

Ansonsten droht bald das nächste Chaos.



Bildquellen

  • Kolumne: Regio-Journal

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