Kommentar: Die Wahl der Schande

Das Wahl-Beben in Thüringen schlägt weiter hohe Wellen. 24 Stunden nach seiner überraschenden Wahl stellt FDP-Landeschef Thomas Kemmerich seinen Ministerpräsidentenposten zur Verfügung und tritt ab. Ein Kommentar von Regio-Journal Herausgeber Tobias Altherr.

Völlig überraschend wurde Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt – im dritten Wahlgang, mit Stimmen von FDP, CDU und AfD.

Es ist eine neue „Qualität“, dass sich ein Kandidat ausschließlich durch AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten wählen lässt. Dass ausgerechnet die Landespartei von Björn Höcke, einem Rechtsradikalen, wie es mittlerweile sogar Gerichtsurteile bestätigen, mit einem Trick zum Zünglein an der Waage wurde, gefällt nicht jedem.

Das taktische Spiel, dass von der AfD gespielt wurde, konnte man spätestens nach dem zweiten Wahlgang erkennen. Die Minderheitskoalition aus Linke, SPD und Grüne brachten keine Mehrheit für den zu diesem Zeitpunkt noch Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zusammen (nach dem 1. Und 2. Wahlgang). Dann beantragte die AfD eine Sitzungspause. Übrigens: nur wenige Tage vor der Wahl stellte die AfD einen eigenen, parteilosen Kandidaten für das Ministerpräsidenten-Amt auf, Christoph Kindervater.

Somit zog im Dritten Wahlgang Bodo Ramelow gegen Christoph Kindervater (der von der AfD aufgestellt wurde) und Thomas Kemmerich (als FDP-Vertreter) in den Ring, da eine einfache Mehrheit im dritten Wahlgang reichen würde.

Es war ab diesem Zeitpunkt klar, dass aufgrund der Konstellation die AfD zum Zünglein an der Waage zu werden – nur um den Linken Bodo Ramelow abzuwählen.

Vor Beginn des letzten Wahlgangs bestätigte die AfD, an Kindervater festzuhalten und auch Kemmerich zog in die „letzte Schlacht“. Mike Mohring von der CDU hingegen verzichtete auf einen eigenen Kandidaten, diese wollten den FDP-Mann Kemmerich wählen – obwohl man bereits ahnen konnte, was passieren wird. Eine Chance hatte der AfD-Mann Kindervater sowieso nicht. SPD, Grüne und Linke wählen ihren Vertreter Bodo Ramelow, die Stimmen von CDU und FDP reichten nicht für Kemmerich, somit nutzte die AfD die Chance, Ramelow aus dem Amt zu jagen – und verheizten ihren eigenen Kandidaten.

44 Stimmen für Ramelow und 45 Stimmen (FDP, CDU + AfD) für Kemmerich.
Kurz gesagt: nur um Ramelow zu stürzten, wählte die AfD geschlossen nicht ihren eigenen Kandidaten, sondern den FDP-Mann.

Das Wahldebakel war perfekt. Ein politisch motivierter Sturz von Bodo Ramelow, ermöglicht mit den Stimmen von CDU, FDP und Höckes AfD.

Erst als Bundeskanzlerin Angela Merkel sich am Vormittag des 06.02.2020 zu Wort meldet und verkündete, dass diese Wahl „unverzeihlich“ wäre und „rückgängig gemacht werden müsse“, kam das Karussell in Gang: Die FDP löste den Thüringer Landtag auf und Ministerpräsident Kemmerich trat zurück.

Natürlich stigmatisiert die AfD diesen Vorgang als Demokratieverachtend und möchte weiteres Kapital aus diesem Vorgang schlagen. AfD-Chefin Alice Weidel spricht nun von „demokratiefeindlichen Zurufen“. Doch sind wir ehrlich: Die AfD ist die erste Partei, die einen Kandidaten zur Wahl stellt und ihn dann nicht wählt.

Dieser Vorgang diente einzig und alleine davon, politische Spielchen am äußersten rechten Rand zu betreiben. Und CDU und FDP sind auf dieses billige Spiel hereingefallen.

CSU-Chef Markus Söder, Annegret Kramp-Karrenbauer, Tobias Hans sowie zahlreiche weitere Top-Politiker von SPD, Linke, CDU/CSU, Grüne und FDP sprachen sich gegen diese Art der Wahl aus.

Doch erst Kanzlerin Merkel, über derer Entscheidungen man manchmal auch kritisch sein darf, räumte diese Entscheidung aus und hat, wie es Sigmar Gabriel (SPD) passend gesagt hat, die „Ehre von Deutschland gerettet“.

Die Geschichtlichen Aspekte, Stichwort Weimar, wo konservative und liberale Parteien sogar mit den Nazis gearbeitet haben, nur um die „Linke Regierung“ abzuwählen, sollten bei dieser Entscheidung nicht zu weit weggewischt werden.

Hier sollten bei allen demokratischen Kräften in diesem Land auch aufgrund unserer geschichtlichen Situation alle Alarmglocken läuten.

Diese Wahl war – um es mit anderen Worten auszurücken – von der AfD manipuliert und torpediert – mit einem Mittel, was man maximal „unanständig“ nennen kann: Man hat seinen eigenen Kandidaten verheizt, um Bodo Ramelow, einen extrem beliebten Politiker, zu stürzen. Es ist nicht nur ein Tabubruch, sondern ein Schlag in das Gesicht eines jeden Demokraten.

Am Ende dieser „Wahl“ stand: Spielerei, Trickserei und Klüngelei um die Macht. Aber eins stand nicht im Fokus: Die Interessen der Wählerinnen und Wähler. Und hierfür sollten sich alle beteiligten Parteien (AfD allen voran, CDU und FDP) schämen.




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