Seit Monaten wirft man der saarländischen Landesregierung vor, ohne eigene Meinung in der Corona-Pandemie zu agieren. Entweder folgt man dem bayrischen Ministerpräsident Markus Söder (CSU), oder man ist der Bundeskanzlerin hörig. So der Tenor in der Bevölkerung.
Noch in der Nacht zum Dienstag, nach der denkwürdigen und unsäglichen Bund-Länder-Konferenz, verteidigte der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) die vereinbarten Regelungen – auch die Osterruhe, als notwendig.
Dann, am Mittwochabend die Hammermeldung: Das Saarland macht sich locker – nach Ostern. Die Bestätigung folgte dann am gestrigen Tag: Das sogenannte „Saarland-Modell“ kommt. Es ist eine Kehrtwende in der Corona-Politik. Ausgelöst durch das Zurückrudern der Bundeskanzlerin und der damit verbundenen Entschuldigung beim Volk. Und genau da liegt der Knackpunkt: Das Volk war nicht mehr bereit, still jede politische Entscheidung über sich ergehen zu lassen. Der Aufruhr in Presse und Bevölkerung war riesig. Vermutlich so groß wie seit 20 Jahren nicht.
Dies dürfte auch der maßgebliche Grund für die nun in vielen Bundesländern beschlossenen Modellprojekte sein. Und dann stehen ja auch noch Wahlen an. Im Saarland im nächsten Frühjahr. Im September die Bundestagswahl und einige Landtagswahlen folgen dieses Jahr auch noch…. Sicherlich denken daran auch einige Politker.
Für den Vorstoß des Saarlandes musste sich der Ministerpräsident einiges Anhören. Ob vom Marburger Bund oder Karl Lauterbach: Viele prügelten auf das Saarland ein, obwohl nun auch andere Länder bereits ähnliche Schritte angekündigt haben. Zur Wahrheit gehört aber auch: Dieses nun „Saarland-Modell“ getaufte Projekt ist in großen Teilen erst einmal die Umsetzung der aktuell aufgrund der Inzidenz eh möglichen Öffnungen.
Wie dem auch sei, es ist jetzt erst einmal die Perspektive, zu einer, wenn auch immer noch nicht „alten“ Normalität, zurückzukehren. Und das ist auch richtig so. Alle, die jetzt ein „blindes Öffnen“ fordern, haben auch nach einem Jahr der Pandemie nicht verstanden, dass dieses Virus wahnsinnig gefährlich ist.
Doch man hat es jetzt endlich geschafft, den Menschen eine Alternative zu zeigen. Eine Alternative zu dem ewigen „Wir machen dicht“. Man versucht, mit Tempo in der Impfkampagne, einem großen Testsektor, überall verfügbaren FFP2-Masken und den bekannten Hygienemaßnahmen ein Stück weit Normalität zu erhalten.
Und: Man nimmt die Bürgerinnen und Bürger mit in die Pflicht. Man überträgt ihnen Verantwortung. Verantwortung für sich und für seine Mitmenschen.
Anders ausgedrückt: JETZT müssen die Menschen zeigen, dass sie die Gefährlichkeit des Virus erkannt und verstanden haben und nicht leichtsinnig jede Vorsicht über Board werfen. Man könnte sagen: Man ist seines Glückes Schmied. Wenn die Inzidenzen im Griff bleiben, die Menschen das Angebot nicht bis zum letzten Ausreizen und vernünftig mit den neuen Freiheiten umgehen, können bereits im April weitere Öffnungsschritte ins Auge gefasst werden.
Explodieren die Inzidenzzahlen und steigen die Patienten in Krankenhäusern massiv an, ist das Projekt gescheitert und geben all denen Recht, die für strenge Regeln plädieren – und die Folge wird ein harter Lockdown sein.
Damit wurde das ganze Corona-Management auf den Kopf gestellt: Die Regeln sind einfach: Lasst euch testen, seid vernünftig, haltet mit euren Maßnahmen die Zahlen flach, dann könnt ihr auch ins Kino.
Das ist ein Konzept, dass jeder Mensch verstehen kann.
Dennoch: Der Zeitpunkt ist riskant. Deutschland befindet sich an der Schwelle, die Kontrolle – zumindest in einigen Bundesgebieten, zu verlieren. Deutschland befindet sich nicht mehr nur am Fuß der dritten Welle, sondern man bewegt sich steil nach oben.
Die Bürgerinnen und Bürger können jetzt selbst, da Ostern bevorsteht, die Kontakte noch einmal zurückfahren und Infektionsrisiken aktiv minimieren. Dann macht es insbesondere die Lockerungsschritte nach Ostern einfacher und beherrschbarer.
Ist die Entscheidung, nach Ostern zu lockern richtig? Aus menschlicher Sicht: Ja. Aufgrund der Infektionslage bundesweit: Nein. Auf Basis der Infektionslage im Saarland: Ja. Auf Basis der Bund-Länder-Beschlüsse: Eher Nein.
Sie sehen. Es gibt viel „Für“ und „Wider“. Am Ende läuft jedoch auf eine Sache heraus: Sie, liebe Leserin und lieber Leser sind , genau wie ich und unsere Nachbarn, für das Infektionsgeschehen mit verantwortlich.
Wenn wir, ehrlich mit positiven Tests umgehen, uns in Quarantäne begeben, Mitkontakte informieren, uns verantwortungsvoll verhalten, kann dieses Projekt ein Erfolg werden, ähnlich dem in Tübingen.
Wenn jeder nun seine Freiheiten genießt und denkt, die Pandemie sei damit beendet, landen wir auf dem harten Boden der Realität und werden sehen, wie die Ärzte zunehmend um das Leben von Menschen kämpfen müssen. WIR haben es zu großen Teilen selbst in der Hand. Lasst uns gemeinsam die Chance ergreifen.