Scholz in Moskau: Eine Sternstunde?

Der Ukraine-Konflikt schwelt weiter, trotz Ankündigungen Russlands, erste Truppen abzuziehen. Zu gleicher Zeit traf Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz in Russland auf Wladimir Putin. Die Pressekonferenz war von einer Klarheit geprägt, die man in letzter Zeit selten sah. Eine Sternstunde des deutschen Kanzlers? Ein Kommentar.

Der Ukraine-Konflikt schwelt weiter, trotz Ankündigungen Russlands, erste Truppen abzuziehen. Zu gleicher Zeit traf Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz in Russland auf Wladimir Putin. Die Pressekonferenz war von einer Klarheit geprägt, die man in letzter Zeit selten sah. Eine Sternstunde des deutschen Kanzlers? Ein Kommentar.

Wladimir Putin zu durchschauen oder ihm gar Respekt abzuwürdigen, ist schwer. Der ehemalige KGB-Agent hat so ziemlich jedes Training durchlaufen, was man als Spezialagent durchlaufen kann. Er ist einer der am längsten amtierenden Staatschefs der Welt. Anders ausgedrückt: Er hat so ziemlich alles erlebt, was man erleben kann.

Ihm gegenüber steht stand heute der neue Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Olaf Scholz. Ein Leisesprecher. Ein „Scholzomat“ mit automatisierten Antworten. Ein kühler, emotionsloser Staatschef mit Pokerface.

Während westliche Medien am morgigen Mittwoch einen Einmarsch der Russen in die Ukraine herbeischreiben, war Bundeskanzler Olaf Scholz sehr zurückhaltend. Auch dies wurde in den Deutschen Medien massiv kritisiert. 

Vielleicht war Scholz aber auch einfach nur extrem gut vorbereitet.

Denn der Preis, den Russland für einen Einmarsch in die Ukraine zahlen muss, ist hoch. Sehr hoch. Und die Länder, die Russland am meisten „finanzielle und wirtschaftliche Schmerzen“ zufügen können, sind die USA und Deutschland. Denn – bei allem Respekt vor den anderen EU-Ländern: Kein Land hat eine solche Wirtschaftskraft innerhalb der Europäischen Union wie es Deutschland innehat. Und gleichzeitig ist Deutschland ein großer Abnehmer von russischem Gas und Öl.

Und: Ohne Nordstream2 jemals in Betrieb genommen zu haben, gehört Deutschland zu den Top 4 Exportländern Russlands. EinzigWeißrussland, die Niederlande und China importieren mehr Güter aus Putins Reich.

Vermutlich wird genau das heute in Form von nackten Zahlen auf Putins Tisch gelegen haben – inklusive der Absage von Nordstream 2.

Der Schaden für Russland wäre derart groß, dass es selbst für Putin zu viel Risiko sei. Hierfür braucht es jedoch keine Lautsprecher, sondern eindrucksvoll dargelegte Fakten – mit der gleichen Kälte vorgetragen, wie Wladimir Putin selbst agieren würde.

Der Preis eines Einmarschs wäre zu hoch – hybride Kriegsführung

Auch Wladimir Putin weiß, was er mit einem Einmarsch auslösen würde – dies hat er bereits 2014 gewusst, als plötzlich „Grüne Männchen“ ohne Hoheitsabzeichen, aber mit hochmodernen russischen Waffen den Donbass angriffen.

Stattdessen ist wahrscheinlicher, dass es zu einer hybriden Kriegsführung, Hackangriffen oder verdeckten Missionen kommt. Ob und wie lange, ist fraglich. 

Putin hat sich in eine Ecke manövriert, aus der er nur mit viel Geschick und bestenfalls auch mit Hilfe der westlichen Welt rauskommt. Er trieb das „Kriegsspiel“ auf die Spitze, hat bisher aber nur wenig Zusicherung des Westens erhalten. 

Scholz als Türöffner?

Olaf Scholz musste in dieser schwierigen Lage in den Kreml reisen. Zum Antrittsbesuch, aber viel mehr als Vermittler mit leisen Tönen. Und Scholz traf den richtigen Ton. Er lies keinen Zweifel am Zusammenhalt im Westen – inklusive härtester Strafen.

Gleichzeitig reichte er Putin die Hand zu Dialog und mit einem jetzt schon historischen Satz: „Es ist unsere verdammte Pflicht und Aufgabe als Staats und Regierungschefs zu verhindern, dass es in Europa zu einer kriegerischen Eskalation kommt.

Auf dieser Weltbühne, ein solcher Satz. Chapeau.

Außerdem stellte Scholz klar, dass „Nachhaltige Sicherheit“ nur mit Russland möglich sei. Außerdem lobte er die Geschäftsbeziehungen. Beide, Scholz und Putin hoben hervor, dass die Gesprächskanäle weiter offen sind und, wie Scholz sagt „noch lange nicht erschöpft sind“.

Wer nun einen polternden Scholz erwartet hat, wurde enttäuscht. Dieser Gedanke war aber eh unwahrscheinlich. Ein Olaf Scholz ist kein Donald Trump. Und vielleicht ist das auch gut so. Olaf Scholz war vorbereitetet, er begegnete Wladimir Putin auf Augenhöhe und parierte während der Pressekonferenz gekonnt Aussagen des Kreml-Führers. Es war einer der besten Auftritte von Olaf Scholz in der vergangenen Jahre, vielleicht sogar der Beste und eine Sternstunde.

Durch Scholz könnte nun ein neuer Weg der Entspannung angebrochen sein. Und wie heißt es doch so gern: Wer miteinander spricht, der schießt nicht.




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