Derzeit wird aufgrund der weltweit steigenden Covid-19-Infektionszahlen eine regelrechte Massenhysterie ausgerufen. Politiker überschlagen sich im Schärfen ihrer Profile und selbst das Robert Koch-Institut und das Auswärtige Amt werfen mit Reisehinweisen und Krisenmodi um sich.
Da werden erst einmal hunderte Milliarden Euro europäische Finanzhilfen zur Stützung Spaniens bereitgestellt und noch nicht einmal zwei Wochen später landen katalnische Ferienregionen auf der „schwarzen Liste“, auf der auch schon Luxemburg gelandet ist.
Das Großherzogtum war darüber so erzürnt, dass es erstmals seit 16 Jahren den deutschen Botschafter einbestellte – es ging um verpflichtende Corona-Tests bei der Einreise aus Luxemburg. Außenminister Asselborn sagte im RTL-Interview Worte wie „Luxemburg ist ein Land und kein Schlachthof – wir fordern Respekt von Deutschland“.
Genau diesen Respekt fordere ich von jedem einzelnen Politiker in Deutschland. Wer Gebiete, beispielsweise Katalonien flächendeckend zum Risikogebiet erklärt, hat den Bezug zur Realität verloren. Zur Verdeutlichung: In Katalonien wohnen 7,5 Millionen Menschen – Faktor sieben beispielsweise des Saarlandes. Die Landfläche beträgt 32.108 Quadratkilometern – das Saarland hat 2500 km². Katalonien liegt flächenmäßig auf Augenhöhe mit Baden-Württemberg (35,700 km²) Nordrhein-Westfalen (34.100 km²)
Was würden die Menschen im Land sagen, wenn man plötzlich „ganz NRW oder ganz Baden-Württemberg“ zum Risikogebiet erklären würde? Als bei Tönnies der Corona-Ausbruch begann, riegelte man den Kreis Gütersloh ab – eine Fläche von 970 km² mit 300.000 Einwohnern, aber niemand kam auf die Idee, ganz Nordrhein-Westfalen zum Krisengebiet zu erklären. Warum auch?
Die deutsche Überheblichkeit kennt in solchen Situationen keine Grenzen. Während heute das RKI „Katalonien“ als Risikogebiet einstuft, wird die Tatsache, dass in den vom Auswärtigem Amt genannten Gebieten innerhalb Kataloniens, beispielsweise in „L´Hospitalet de Llobregat“ unweit von Barcelona, der R-Wert von „über 3“ vor ca. zwölf Tagen auf nun „leicht über 1“ gesunken ist. Auch die genannte Region Segià kann mittlerweile einen R-Wert von ca. 1 nachweisen.
Diese Meldung wurde gestern in einigen Medien veröffentlicht, war aber oft nur eine Randnotiz.
Anders ausgedrückt: In Deutschland werden Spaniens Urlaubsregionen zu Risikogebieten erklärt, obwohl die Zahlen bereits seit Tagen rückläufig sind. Diese Logik ist nicht zu erklären. Bereits vor zehn Tagen wurden massive Einschränkungen eingeführt, Kinos und Discotheken geschlossen, teilweise wurden Ausgangsbeschränkungen verfügt.
Doch kommen wir zurück zu Baden-Württembergs grünem Landeschef Winfried Kretschmann: Dieser sagte, es sei „unangemessen“, in diesem Sommer in Urlaub zu fahren. Er stellt damit nicht nur das Vertrauen zu jedem europäischen Partner in Frage, dass diese in der Lage sind, Ausbrüche zu kontrollieren und wenn nötig auch mit harten Maßnahmen einzudämmen, sondern schiebt den Wunsch, nach dieser für alle Menschen fordernden Zeit, etwas anderes als Deutschland sehen zu wollen, in die moralisch fehlerhafte Ecke.
Mehr noch: Er unterstellt den Bürgern, sie seien verantwortungslos. Natürlich hat Kretschmann recht, wenn er die Auswüchse am Ballermann oder nun am Goldstrand verurteilt.
Aber generell der Meinung zu sein, dass Urlaub im Ausland weniger sicher als in Deutschland ist, ist ein Irrglaube.
Natürlich kann man die Sorge haben, dass eine höhere Bewegungsfreiheit zu höheren Infektionen führt. Aber dies ist nicht in Stein gemeißelt.
Gerade Menschen, die nicht in einem Haus mit Garten wohnen, freuen sich auf ihren Urlaub, der aufgrund der Pandemie und den damit verbundenen Grenzschließungen vielleicht auch schon verschoben werden musste.
Und der Wunsch, nicht das ganze Jahr die gleichen Straßen sehen zu wollen, ist den Menschen zuzugestehen.
Auch darf nicht vergessen werden, dass die Bürgerinnen und Bürger täglich arbeiten dürfen, auch Urlaube an überfüllten Stränden in Deutschland sind ok, aber nicht in Spanien, nicht in Griechenland, in der Türkei schon gar nicht. Und auch in Italien braucht man dieses Jahr, geht es nach Kretschmann, keinen Urlaub zu machen.
Stimmt, dafür gab es ja Hilfsmilliarden auf EU-Ebene. Was braucht es da schon Tourismus. Auf die Idee, dass man, unabhängig vom Land, in dem man sich befindet, immer Abstand halten, Hände waschen und Mundschutz tragen kann, kam Kretschmann wohl auch nicht.
Aus diesem Grund sage ich: Urlaub im Ausland ist keine Schande, solange sich die Urlauber an die gültigen Regeln halten.