Wie sich der Saar-MP selbst aus dem Amt manövrierte

Die Landtagswahl im Saarland ist vorbei und doch reiben sich viele Beobachter verwundert die Augen: Wie schaffte es Anke Rehlinger, den amtierenden Ministerpräsidenten Tobias Hans derart deutlich aus dem Amt zu befördern? Ein Kommentar.

Waren die letzten vier Jahre im Saarland so schlecht verlaufen, dass man den amtierenden Ministerpräsidenten derart heftig abstrafen musste? Vermutlich nicht. Die Fehler in der saarländischen Politik wurden durch Tobias Hans Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Vorgänger Peter Müller und selbst dessen Vorgänger aus dem Lager der Sozialdemokraten, Klimmt und Lafontaine begangen: Das Saarland hatte den Anschluss verloren, Digitalisierung verschlafen und auch sonst sich viel zu sehr auf die Automobilbranche, den Stahl und – früher – die Kohle verlassen.

Zukunftsthemen wurden erst unter der Ägide von Hans & Rehlinger angepackt – zu spät. Die Corona-Pandemie wurde Saar-MP Hans zum Verhängnis, ein ungelenker und teilweise gruselig schlecht geplanter Wahlkampf kamen dann obendrauf. Unvergessen das Video, in dem ein Wutschnaubender Ministerpräsident im Selfie-Style von einer Bereicherung des Staats an den Benzinpreisen sprach und erklärte, dass diese Preise jetzt „nicht nur Geringverdiener, sondern auch die vielen fleißigen Bürgerinnen und Bürger“ träfen. Vermutlich meinte Tobias Hans dies nicht so, wie er es ausgedrückt hat. Es ist aber nur ein Teil des fast schon schreienden Selbstverständnis der Saar-CDU.

Man teilte sich zwanzig Jahre die Posten untereinander auf, schaffte ein Netzwerk durch alle wichtigen Stellen und stolzierte auffällig selbstgefällig und teilweise arrogant durch das Land.

Wenn Österreicher von „Saarlandliebe“ sprechen

Dass Anke Rehlinger die Wahl zur Ministerpräsidentin des Saarlandes so deutlich gewann, lag selbstverständlich auch an einer wohl überlegten Wahlkampagne. Für die „Saarlandliebe“-Kampagne wählte die Saar-SPD die Agentur Platzl Zwei aus Salzburg in Österreich. Diese Arbeitet bereits seit längerem mit verschiedenen Landesverbänden zusammen, oft erfolgreich. Der Gesamtauftritt der Wahlkampagne war freundlich, farblich frisch und irgendwie „neu“. 

Spricht man jedoch von „Saarlandliebe“, sollte man sich zumindest die Frage stellen, weshalb keine saarländische Medienagentur für die Kampagne gewählt wurde. Auch bleibt die Frage, welche Kampagnenträger oder Medien für die Wahlkampagne gewählt wurde. Wie so oft wurden bestimmte Medien zur Kampagnenschaltung ausgewählt, einige auch außerhalb des Saarlandes. Wenn das Mal keine echte Saarlandliebe ist. …

Hans verliert den Faden

Doch wieso unterlag der Saar-Ministerpräsident so deutlich gegen Anke Rehlinger? Waren seine Zustimmungswerte zu Beginn der Pandemie hoch. Mit einem klaren Kurs eiferte der politisch recht unerfahrene Hans dem CSU-General Markus Söder nach. Mit fortschreitender Pandemie hätte er jedoch erkennen müssen, dass seine Gesundheitsministerin Monika Bachmann für den Job ungeeignet ist. Stattdessen hielt Hans an ihr fest und verkündete negative Nachrichten meist selbst, während Rehlinger als Wirtschaftsministerin Wirtschaftshilfen zusagte.

Hans fehlte der Mut, seine Gesundheitsministerin zu ersetzen. Mit der Vorstellung seines „Kompetenzteams“, welches noch am gleichen Tag begraben werden musste, beging Hans den nächsten Fehler. Und dann war da noch der Verlust des Fadens in der Pandemie. Mal für eine Impfpflicht, mit den negativen Umfragewerten im Rücken plötzlich dagegen, Lockerungen hier, Saarland-Modell da. Aus dem Anführer durch die Pandemie wurde ein regelmäßig in Talkshows sitzender Lautsprecher ohne klare Ziele und vor allem mit einer gehörigen Portion Populismus, die im Twitter-Video, welches eingangs erwähnt wurde, gipfelte.

Früh ging dann auch noch die Bundes-CDU auf Distanz zu Hans – ein typisches Vorgehen innerhalb der Partei. Nicht erfolgreiche Politiker werden da gerne mal fallen gelassen, als wären sie eine heiße Kartoffel.

Rehlinger als nahbare Landesmutter

Anders war es bei Anke Rehlinger. Sie gilt als nahbare Politikerin mit dem Herz auf der Zunge. Dies kommt nicht bei jedem gut an, trifft aber den Ton der Saarländerinnen und Saarländer. Rehlinger packt an, bei Fototerminen merkt man dann, dass Sie den „Spaten“ nicht als Gegner sieht. Oder anders: Man traut ihr zu, dass Sie zu Hause das Beet auch selbst mal umgraben kann. Und da wäre man wieder bei dem Ursprungsthema: Während man bei der CDU gerne vom „anpacken“ spricht, greift Rehlinger zum Spaten und schaufelt – rein bildlich gesprochen.

Dies hat den Wahlkampf geprägt.

Den Spaten anpacken bedeutet auch zu liefern

All dieses „ich packe jetzt mal richtig an“ der zukünftigen Ministerpräsidentin hat aber auch eine Konsequenz: Rehlinger und ihre Minister können sich zukünftig nicht mehr hinter Tobias Hans oder der Saar-CDU verstecken. Alle Erfolge – und auch die Misserfolge, werden an ihr heften. Nun gilt es also für die SPD an der Saar, tatsächlich anzupacken und das Land auf Zukunft zu trimmen. 

Es wird sich also zeigen, ob die Saarlandliebe wirklich existiert und ob diese Liebe und der Vertrauensvorschuss gerechtfertigt war oder nicht.



Bildquellen

  • Anke Rehlinger: «Susie Knoll

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