Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will Wähler in Thüringen unter anderem mit Forderungen nach mehr direkter Demokratie gewinnen. „Eines der maßgeblichen Ziele unserer Partei ist, unsere Demokratie zu schützen und weiterzuentwickeln“, heißt es im Entwurf des Wahlprogramms, über den der „Spiegel“ berichtet und der am kommenden Samstag bei einem Parteitag in Erfurt beschlossen werden soll.
Am 1. September wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Das BSW rechnet sich Chancen aus, auf Anhieb den Sprung in Regierungsverantwortung zu schaffen. Das Wahlprogramm gleicht dem, das die Partei im benachbarten Sachsen am vorletzten Wochenende beschlossen hatte.
Im Vorwort fordert BSW-Chefin Sahra Wagenknecht eine klare Regierungsmehrheit in Erfurt: „Der Zustand der faktischen Unregierbarkeit Thüringens muss enden.“ Mit Katja Wolf, der bisherigen Oberbürgermeisterin von Eisenach, habe die Partei „eine glaubwürdige und kompetente“ Spitzenkandidatin: „Eine starke BSW-Fraktion im Erfurter Landtag wäre auch ein klares Signal an die Ampel in Berlin, die seit über zwei Jahren dabei ist, Land und Leute mit ihrer undurchdachten Politik zu ruinieren.“
Laut Programmentwurf soll die Thüringer Verfassung in Zukunft mehr direkte Demokratie ermöglichen: „Dazu gehört, dass Volksbegehren künftig auch über Fragen entscheiden sollen, die mit finanziellen Auswirkungen verbunden sind. Das sogenannte Finanztabu muss fallen.“
Thüringen solle das erste Land werden, das neue Regelungen, Vorschriften und Verordnungen auf einen „100-Tage-Prüfstand“ stelle. Innerhalb dieses Zeitraums sollen Bürger Einwände geltend machen und das Inkrafttreten neuer Regelungen verhindern können: „Nach dem Modell des fakultativen Referendums der Schweiz wollen wir die Möglichkeit schaffen, dass Bürger vom Landtag beschlossene Gesetze aufhalten oder korrigieren können.“
Dem Programm ist ein Kapitel zum Thema Frieden vorangestellt. „Wir werden in Thüringen unsere Stimme dafür erheben, dass die Bundesregierung endlich selbstständig diplomatisch aktiv wird, um einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien im Ukraine-Krieg herbeizuführen“, heißt es in dieser Passage.
In der Schulpolitik will das BSW „eine Rückbesinnung auf das Erlernen der Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen“. Handys und Tablets sollten bis zum Ende der Grundschule aus den Klassenzimmern verbannt werden.
„Thüringer Bildungsministerin oder Bildungsminister soll nur werden, wer langjährige berufliche Erfahrungen als Lehrerin oder Lehrer vorweisen kann“, heißt es in dem Entwurf weiter.
Im Öffentlichen Dienst will die Wagenknecht-Partei eine Ostdeutschen-Quote von mindestens 50 Prozent durchsetzen. Außerdem setzt sich das BSW für eine Landarztquote ein. „An der Uni Jena ausgebildete Ärzte sollen für 5-10 Jahre an eine Tätigkeit in Thüringen gebunden werden“, heißt es in dem Papier.